«Ich bin ein Mann, Punkt.»

Model und Influencer Benjamin Melzer im Exklusiv-Interview mit myHEALTH

Benjamin Melzer
Hallo Ben, beschreibe dich doch mal in einem Wort!

Oje, ein Wort! Dabei bleibt es tatsächlich selten. Ich versuche es mal: Stark? Und humorvoll und offen und … Ja, stark trifft es glaube ich am besten.

Wir sprechen von mehr als deiner Muskelkraft?

Richtig! Ich bin zwar Model, trainiere täglich und sorge dafür, dass ich in Topform bin. Ich bin aber mehr als bloss Gesicht und Körper. In mir steckte schon immer eine starke Persönlichkeit, die in den letzten Jahren weitergewachsen ist. Ich bin überzeugt, dass mir das auch bei meiner Veränderung enorm geholfen hat.

Du meinst deine Entwicklung von Yvonne zu Ben? Denn geboren wurdest du in einem weiblichen Körper.

Ja, genau. Das war ein Prozess über Jahre: Als Teenie begann ich, mich für Mädchen zu interessieren. Ich wusste aber: Du bist nicht lesbisch, du bist zu 100 Prozent hetero. Das konnte ich natürlich nicht richtig begreifen. Mit 18 sah ich dann die Dokumentation über Chers Tochter, die sich zum Mann hat operieren lassen und das Thema Transgender publik gemacht hat, da wurde mir klar: Ich stecke im falschen Körper.

Wie hast du die Zeit von der Entscheidung bis zur tatsächlichen Verwandlung erlebt? Hat es dich belastet?

Belastet klingt so negativ. Das bin ich nicht und auch nie gewesen. Sicher haben mich Rückschläge enttäuscht, elf Operationen in zwei Jahren zehren an Nerven und Körper. Stell dir vor: Du sitzt allein in deinem Kinderzimmer und telefonierst Psychologen ab, überwindest deine Scham und Unsicherheit und versuchst dich zu erklären.

Hast du mal gezweifelt?

Für mich gab es seit ich wusste, was los war, keinen Zweifel mehr, nein. Ich bin ein Mann und wollte auch so aussehen – ganz egal, was andere sagen. Als alle Operationen durch waren und ich meinen Namen ändern konnte, hat das vieles erleichtert. Die Leute kamen nicht mehr ins Stolpern, wenn ich mich mit meiner männlichen Erscheinung als Yvonne vorgestellt habe, und mir selbst hat es unglaublich das Selbstbewusstsein gestärkt.

Man sieht dir auch absolut nicht an, dass du mal einen weiblichen Körper hattest. War das Glück? Gene? Gute Ärzte?

Sicher eine Mischung aus allem. Die Hormontherapie und die Operationen haben meine Anatomie, meine Stimme, alles sehr viel männlicher gemacht – mit Vor- und Nachteilen.

Nachteile?

Ja, das sagt einem niemand: Breite Schultern, kantiges Kinn, Bart – schön und gut, aber ich bekam auf einmal Geheimratsecken! Aber das kann man auch gut kaschieren.

Da haben dir die Gene einen Strich durch die Rechnung gemacht …

Ach, so sehe ich das gar nicht. Alles hat seinen Grund. Einen anderen Weg als nach vorn gab es für mich nie. Und in die Richtung geht es nur, wenn du etwas dafür tust und an dir wächst, Träume hast, aber auch nicht zu viel über alles nachdenkst.

Dann nimmst du die Dinge gelassen?

Ich versuch’s! Sport ist für mich immer noch das beste Ventil. Da kann ich Dampf ablassen, aber auch meinen Kopf frei bekommen, um in mich hinein zu hören, unbefangen und ohne Wertung. Das ist meine Art von Meditation.

Wie hältst du dich denn aktuell fit?

Im Moment mache ich fast ausschliesslich Crossfit und habe gerade sogar meine eigene Crossfit-Box «Pumpbar» mit zwei Freunden eröffnet. Du hast einfach alles in einer Sportart vereint: Ausdauer, Kraft, und du trainierst nie alleine. Ansonsten bin ich am liebsten am Meer, in der Wärme: mit Surfbrett oder Wakeboard, Hauptsache auf der Welle.

Bei so einem Sportprogramm ist der Modelkörper ja schon fast vorprogrammiert.

Schön wär’s! Klar, forme ich meinen Körper sehr stark über meinen Sport. Essen spielt aber auch eine wahnsinnig wichtige Rolle in meinem Leben. Ich koche total gerne selbst und esse gemeinsam mit Familie und Freunden. Die Küche ist für mich der Mittelpunkt im Haus. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung gibt mir einfach das Gefühl, körperlich und geistig im Gleichgewicht zu sein.

Hat dir deine körperliche Verwandlung eigentlich Türen im Model-Business geöffnet?

Bestimmt! Aber das ist doch auch toll: Genauso kann ich mich für Frauen und Männer einsetzen, denen es geht wie mir damals. Mit einem offenen Umgang und ohne mehr daraus zu machen, als es ist, kann man schon so viel erreichen! Transgender, Transmann – ich bin ein Mann, Punkt. Ich möchte allen zeigen, dass es sich lohnt, zu kämpfen und seine Ziele zu verfolgen.

Vielen Dank für das Gespräch, Ben!
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