Hämodialysebehandlung – wenn die Nieren Unterstützung brauchen

Alles, was du über die maschinelle Blutwäsche wissen musst

Hämodialysebehandlung: abstrakte Aufnahme von roter wirbelnder Flüssigkeit

Spoiler

  • Können die Nieren das Blut nicht mehr ausreichend reinigen, ist eine Ersatztherapie notwendig. Eine Variante der Blutwäsche ist die Hämodialysebehandlung, bei der eine Maschine die Filteraufgaben übernimmt.
  • Über einen Gefässzugang wird das Blut durch einen Filter geleitet, der Abfallstoffe und überschüssiges Wasser entfernt. Eine Sitzung dauert in der Regel vier Stunden und findet meist dreimal pro Woche statt.
  • Häufige Nebenwirkungen sind Blutdruckabfall, Muskelkrämpfe, Kopfschmerzen und Infektionsrisiken am Gefässzugang. Langfristig kann es zu Blutarmut und Herz-Kreislauf-Problemen kommen.
  • Trotz des hohen Zeitaufwands ist ein aktives Leben mit Arbeit, Sport und Reisen möglich. Eine angepasste Ernährung und gute Planung unterstützen den Alltag mit Dialyse.

Wann ist eine Hämodialysebehandlung notwendig?

Die Nieren sind wahre Multitalente. Sie filtern das Blut, regulieren den Wasser- und Mineralhaushalt, steuern den Blutdruck und produzieren wichtige Hormone. Doch was passiert, wenn das Doppelorgan versagt? «Ein akutes Nierenversagen kann nach Operationen, Infektionen oder durch bestimmte Medikamente entstehen und ist oftmals reversibel, also die Nieren erholen sich wieder. Kommt es jedoch zu einer chronischen Nierenerkrankung, baut die Nierenfunktion über Monate oder Jahre kontinuierlich ab bis hin zum Nierenversagen», erklärt der Nierenspezialist. «Fällt die Leistung der Nieren auf unter zehn Prozent oder es treten Beschwerden wie Müdigkeit, Juckreiz, Übelkeit, Kurzatmigkeit, Muskelkrämpfe oder Wassereinlagerungen auf, ist eine Nierenersatztherapie im Allgemeinen notwendig.» Es gibt verschiedene Formen der Nierenersatztherapie: Die Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse), die Hämodialysebehandlung und das tatsächliche Ersetzen der Nieren durch eine Nierentransplantation. Welche Therapie der chronischen Nierenkrankheit die richtige ist, hängt vom Gesundheitszustand, dem Lebensstil und den persönlichen Wünschen der Betroffenen ab. «Bei einem plötzlichen, lebensbedrohlichen Zustand, zum Beispiel bei einer schweren Überwässerung mit Atemnot oder stark erhöhten Kaliumwerten, kann eine Notfalldialyse erforderlich sein. Dabei handelt es sich auch um eine Blutwäsche mittels Hämodialysebehandlung», so der Experte.

So funktioniert die Blutwäsche

Bei der Hämodialysebehandlung übernimmt eine Maschine die Filterfunktion der Nieren ausserhalb des Körpers. Dabei wird das Blut durch die Maschine geleitet, die es reinigt und überschüssiges Wasser entfernt. Das Herzstück des Geräts ist der Dialysator, ein Filter mit einer halbdurchlässigen Membran. «Diese Membran lässt schädliche Stoffe passieren, während Blutzellen und wichtige Eiweisse zurückgehalten werden», erklärt Dr. Pruijm. Das Prinzip folgt der Diffusion und Ultrafiltration. Abfallstoffe wie Harnstoff und Kreatinin wandern aus dem Blut in die Dialyseflüssigkeit, die sich auf der anderen Seite der Membran befindet – das ist Diffusion. Mithilfe eines Druckunterschieds wird ausserdem die überschüssige Flüssigkeit aus dem Blut gezogen: Ultrafiltration. Die Zusammensetzung der Dialyseflüssigkeit ist unterschiedlich und genau auf den Bedarf der Patientin oder des Patienten zugeschnitten, sie enthält Elektrolyte wie Natrium und Kalium in optimaler Konzentration. 

Ablauf einer Hämodialysebehandlung

Der Gefässzugang – der Zugang zur Behandlung

«Für die Hämodialyse braucht es einen stabilen Zugang zum Blutkreislauf. Dafür gibt es drei Möglichkeiten: den AV-Shunt, eine Gefässprothese oder einen zentralen Venenkatheter. Die häufigste und langlebigste Lösung ist der Shunt», zählt der Arzt auf. Für den Arteriovenösen Shunt (AV-Shunt) wird eine Arterie mit einer Vene verbunden, meist am Unterarm. Diese Vene verdickt sich durch den erhöhten Blutfluss und kann mit einer Nadel besser punktiert werden. Wenn die eigenen Gefässe dafür nicht ausreichen, verbindet man die Arterie und Vene mit einer Kunststoffprothese (Gefässprothese). Vor allem bei Notfällen oder einer kurzfristigen Dialyse wird diese über einen zentralen Venenkatheter angehängt, der meist in die Halsvene eingesetzt wird.

Die Dialysesitzung

Vor der Hämodialysebehandlung werden die Patientinnen und Patienten gewogen und Blutdruck sowie Puls gemessen. Diese Werte benötigt das Dialyseteam, um dem Blut die richtige Menge an Flüssigkeit zu entziehen. Im Anschluss werden sie über zwei Nadeln an die Dialysemaschine angeschlossen. Eine Nadel leitet das Blut aus dem Körper zur Maschine, wo es gefiltert wird, die andere führt das gereinigte Blut wieder zurück in den Körper. Dieser Prozess dauert in der Regel vier  

Stunden. In der Zwischenzeit können Betroffene lesen, schlafen, fernsehen oder sich mit den anderen Patientinnen und Patienten unterhalten. Manche Zentren bieten ausserdem ein spezielles Ergometer (Bettfahrrad) oder Physiotherapie für die Zeit der Sitzung. Meist wird zwischendurch ein Snack gebracht. Die Fachpersonen sind zur ständigen Überwachung immer in der Nähe, um Nebenwirkungen frühzeitig erkennen und behandeln zu können. 

Nach der Dialyse

Im Anschluss geht es nochmals auf die Waage, um den Flüssigkeitsentzug zu kontrollieren. Viele Patientinnen und Patienten berichten, dass sie sich nach der Hämodialysebehandlung erst einmal müde fühlen, dass sich das aber nach ein paar Stunden legt.

«In der Regel sind drei Sitzungen pro Woche notwendig. Diese Frequenz verhindert, dass sich zu viele Abfallstoffe und Flüssigkeit zwischen den Behandlungen ansammeln. Die Planung der Sitzungen ist recht individuell, manche Nierenerkrankte bevorzugen eine Dialyse direkt am Morgen, andere eher in den Abendstunden», erläutert der Nephrologe. Für einige Patientinnen und Patienten gibt es zudem die Möglichkeit der Heimdialyse. Diese Variante bietet mehr Flexibilität, kann häufiger und dafür kürzer durchgeführt werden, erfordert aber auch eine sorgfältige Vorbereitung und Schulung. Eine gute Alternative zur Heimhämodialyse ist die Peritonealdialyse über das Bauchfell, welche ebenfalls eigenständig zu Hause durchgeführt werden kann. 

Welche Nebenwirkungen hat die Nierenersatztherapie?

Trotz des grossen technischen Fortschritts können bei einer Hämodialysebehandlung manchmal Nebenwirkungen auftreten. Akute Nebenwirkungen während der Behandlung sind Kreislaufprobleme – durch den schnellen Flüssigkeitsentzug kann der Blutdruck abfallen und zu Symptomen wie Schwindel, Übelkeit und Schwitzen führen. Der Flüssigkeitsentzug ist auch für Muskelkrämpfe, meist in den Beinen, verantwortlich. Während oder nach der Dialyse kann es aufgrund der Stoffwechselumstellungen selten zu Kopfschmerzen und Übelkeit kommen. «Zu den langfristigen Nebenwirkungen gehören Shunt-Komplikationen, wenn Infektionen, Thrombosen oder eine Verengung den Blutfluss beeinträchtigen», weiss unser Experte. «Da die Nieren kein Erythropoetin mehr produzieren verringert sich die Bildung der roten Blutkörperchen. Das kann zu einer Anämie (Blutarmut) führen, welche meistens leicht zu behandeln ist.» Weitere langfristige Folgen können Knochenerkrankungen sein, denn der gestörte Kalzium-Phosphat-Haushalt begünstigt Knochenschmerzen und Brüche. Patientinnen und Patienten mit Nierenversagen haben ausserdem ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. «Ob kurzfristige oder langfristige Nebenwirkungen, Betroffene sollten unbedingt direkt das Dialyseteam informieren, wenn neue Beschwerden bemerkt werden», so der Spezialist.

Hämodialysebehandlung: Vor- und Nachteile im Überblick

«Die Vorteile einer Hämodialyse überwiegen ganz klar den Nachteilen, schliesslich ist sie lebensrettend. Dennoch gibt es einige Begleiterscheinungen, mit denen man rechnen muss», möchte Dr. Pruijm vermitteln. Bei der Hämodialysebehandlung handelt es sich um eine äussert effektive und verlässliche Form der Blutreinigung, welche die Nieren selbst nicht mehr leisten können. Die Behandlung kann ambulant oder sogar zu Hause durchgeführt werden. Ausserdem berichten Patientinnen und Patienten von einer besseren Lebensqualität bei einer regelmässigen Anwendung. Die Hämodialysebehandlung ist jedoch mit etwa zwölf Stunden pro Woche recht zeitaufwendig und durch die regelmässigen Sitzungen wird die Spontanität Betroffener eingeschränkt. Auch die Fahrt dorthin und nach Hause muss organisiert werden. Zudem können Nebenwirkungen auftreten und auch die mitunter psychische Belastung ist nicht von der Hand zu weisen.

Leben mit Hämodialysebehandlung: Alltag und Tipps

«Dreimal pro Woche für mehrere Stunden an der Dialyse zu hängen, klingt einschneidend – und das ist es auch. Aber viele Betroffene entwickeln Strategien, um ihren Alltag zu meistern», berichtet der Arzt. Viele Personen können trotz der Dialyse weiterhin ihrem Beruf nachgehen, besonders bei flexiblen Arbeitszeiten. Hier hilft ein offenes Gespräch mit dem Arbeitgeber über mögliche Anpassungen. «Man kann immer noch Sport machen, er fördert sogar das Wohlbefinden. Gut geeignet sich leichte Aktivitäten wie Spaziergänge oder Yoga», ermutigt Dr. Pruijm. «Darüber hinaus spielt die Ernährung eine zentrale Rolle. Das bedeutet eine ausgeglichene Proteinaufnahme, phosphatarm zu essen, kaliumreiche Lebensmittel wie Bananen oder Tomaten einzuschränken und auf die richtige Flüssigkeitszufuhr zu achten, da kaum Urin produziert wird. Das Dialyseteam kann sehr gut zu Ernährungsfragen beraten.» Und wenn man mal eine Pause vom Alltag braucht? Eine Hämodialysebehandlung schliesst Reisen nicht aus. Viele Zentren bieten Gastdialysen an. Mit einer guten Planung sind also auch Ferien am Meer oder in den Bergen möglich. 

Die Hämodialysebehandlung ist eine lebenswichtige Therapie, wenn die Nieren versagen. Sie erfordert zwar Zeit, Anpassung und Planung, ermöglicht aber ein aktives Leben trotz Nierenkrankheit. Mit einem guten Team, einer angepassten Ernährung und etwas Planung können viele Alltagshürden gemeistert werden. «Sprechen Sie als Betroffene immer mit dem Dialyseteam über Ihre Sorgen oder Fragen – die Fachkräfte sind gern für ihre Patientinnen und Patienten da.»

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