Joachim Franz: global im Einsatz gegen Aids

Der HIV-Aktivist sieht grossen Aufklärungsbedarf

Aidsschleife

Spoiler

  • Weltweit nimmt die Zahl der HIV-positiven Menschen zu, die Krankheit hat für Betroffene soziale und wirtschaftliche Folgen.
  • In Europa ist die Krankheit stark tabuisiert, HIV-Positive werden stigmatisiert und halten deshalb ihre Diagnose geheim.
  • Es braucht viel mehr Aufklärungsarbeit, sagt Joachim Franz, der seit den neunziger Jahren auf die Risiken von HIV aufmerksam macht.

In jungen Jahren pflegte der bekannte Extremsportler Joachim Franz einen ungesunden Lebensstil. Irgendwann merkte er, dass es so nicht weitergehen konnte, nahm an Gewicht ab und lief seinen ersten Marathon. Bald folgten Triathlon, Ironman und waghalsige Expeditionen. Dabei ging es ihm nicht nur um die sportliche Höchstleistung, Joachim Franz wollte mit seinen Aids Awareness Expeditionen auf die Risiken von HIV aufmerksam machen. Für sein Engagement erhielt der heute 58-Jährige etliche Auszeichnungen.

Herr Franz, welche Rolle spielt HIV in Europa?

Die Themen in Europa sind anders als in Afrika, Südamerika oder Asien. Das grösste Problem ist der Anstieg der HIV-Positivenzahlen und die Stigmatisierung der Betroffenen. HIV-positive Kinder beispielsweise werden häufig so gemobbt, dass es ihre Schulkarriere beendet. Deshalb halten ihre Eltern die Krankheit oft geheim. Dabei hat weltweit noch keine einzige Kind-zu-Kind-Infektion stattgefunden. Auch Erwachsene können nicht damit umgehen und reagieren bei diesem Thema oft total geschockt.

Braucht es heute noch Aufklärung?

In unserem gut situierten Europa fehlt es immer noch an Grundaufklärung. Man muss in der Schule anfangen und erklären, was es bedeutet, HIV-positiv zu sein. Ich halte jede Woche zwei bis drei Schulvorträge. Dabei geht es um Themen wie Gleichberechtigung und Akzeptanz der Diversität. Der Schlüssel für eine Verbesserung der Situation ist Bildung und Zugang zu Medikamenten. Die Langzeit-Nebenwirkungen sind jedoch nicht ohne. Plötzlich stellt man fest, dass die HIV-Positiven trotzdem früher sterben.

Was hat Sie bei Ihren Aktionen am meisten berührt?

In jungen Jahren habe ich die Welt bereist, weil ich sie so schön fand. Ich stellte dann fest, dass nicht alles schön ist. In Frauenhäusern in Kathmandu etwa lernte ich Mädchen kennen, die mit 14 Jahren verschleppt und zur Prostitution gezwungen worden waren. Die sterben drei Tode: beim Herausreissen aus der Familie stirbt das Herz, bei den Vergewaltigungen die Seele und schliesslich stirbt der Körper an Aids.

In Zentralasien gehen die Leute nicht zum Arzt, deshalb gibt es viele Aids-Tote. Ich fragte mich, was ich tun kann, denn ich wollte das nicht auf sich beruhen lassen. Ich habe mich dann intensiv vorbereitet und mit etlichen Experten geredet. Dabei wurde ich oft ausgelacht. Expeditionen für Aids, was soll das bringen? Das war 1998, seither hat sich nicht viel verändert. Das grösste Problem heute ist der Mangel an Wissen.

Welche Vorurteile begegnen Ihnen bei der Arbeit?

Die am häufigsten gestellte Frage an mich ist, ob ich schwul oder HIV-positiv bin. Am Anfang hat mich das verärgert, irgendwann begann ich zu antworten: «Das kannst du dir auswählen.» Heute sage ich, dass ich betroffen bin. Zweimal wurde ich verprügelt und sass im Gefängnis. Einmal, als ich auf meiner Paris-Dakar-Expedition mit dem Fahrrad in Algerien auf einem Platz Flugblätter verteilte. Bei den Zwischenhalten der Expeditionen waren hunderte Menschen da und fragten, was ich da mache. «Ich fahre gegen Aids.» Das wurde nicht überall gerne gesehen, auch in Russland nicht, weil die Leute dachten, ich sei schwul. Homosexualität ist dort verboten.

Weshalb organisieren Sie keine Expeditionen mehr?

Wir haben über 14 Jahre neun Expeditionen durchgeführt, immer mit einem Themenschwerpunkt. Dabei konnten wir sehr viel erreichen. Es braucht aber eine Weiterentwicklung, um die Resultate abarbeiten zu können.

Mein persönliches Steckenpferd ist ein Projekt in KwaZulu-Natal (Südafrika), wo Aids immer noch ein Problem ist. Seit 2003 sind wir dort mit Erfolg aktiv. Gezielte Entwicklungshilfe braucht einen langen Vorlauf, weil sie sowohl Umwelt, Bildung, Kultur und Politik als auch das Körperbewusstsein umfassen muss. Hilfe zur Selbsthilfe dauert, weil Vertrauen aufgebaut werden muss. Es gilt, mit ganz kleinen Schritten anzufangen.

Vielen Dank für das Gespräch!
Facebook
Email
Twitter
LinkedIn