Wieso streiten gerade Geschwister so heftig?
Beim Streiten üben Geschwister, wie damit umgegangen wird, wenn zwei Meinungen bestehen. Mit Geschwistern geht das prima, denn es besteht keine Gefahr eines Kontaktabbruchs. Irgendwann geht es wieder liebevoll zu. Der Streit ist wie eine Spielwiese, ein Trainingsfeld. Hier werden wichtige Fähigkeiten erworben. Es gibt jedoch auch Streite durch nicht überwundene Geschwisterkrisen nach einer Geburt.
Wenn ein zweites Kind geboren wird?
Ja. Es ist wichtig, dass Eltern diese Krise erkennen und begleiten. Sonst wird früh ein Keil zwischen die Kinder getrieben, der später für mehr Streit sorgt. Für das ältere Kind ähnelt der Verlust der vollen Aufmerksamkeit der Mutter dem ersten Liebeskummer. Jedes ungewöhnliche Verhalten des älteren Geschwisters sollte dekodiert werden als: «Es geht mir nicht gut». Manche Geschwister werden aggressiv oder spielen selbst wieder Baby. Andere ziehen sich zurück. Dann ist es besonders schwer, zu erkennen, dass etwas nicht stimmt. Eine Geschwisterkrise kann auch später durch Gespräche noch aufgearbeitet werden.
Wie verhindern Eltern diese Krise?
Indem sie helfen, die Geschwisterbindung aufzubauen. Das ältere Kind einbeziehen, es mithelfen lassen. Es braucht jetzt die Mutter und keine Ersatzperson wie die Oma oder den Vater. Die Geburt des zweiten Kindes ist eine super Gelegenheit für Väter, eine tiefe Bindung zum Baby aufzubauen und der Mutter Zeit mit dem älteren Kind zu lassen.
Kann Streiten vorgebeugt werden?
Ja, indem Eltern ihre Aufmerksamkeit gleichmässig verteilen und viel gemeinsam mit den Geschwistern spielen. Das stärkt die Bindung unter Geschwistern ungemein. Eltern sollten versuchen, Konkurrenzdenken nicht anzuheizen. Auf Fragen wie «Wer ist heute schneller angezogen?» besser verzichten. Ebenso auf Aussagen wie: «In deinem Alter konnte dein Bruder schon Rad fahren.». Das ältere Kind sollte keine regelmässige Verantwortung für das jüngere aufgedrückt bekommen.
Sie sagen, Eltern sollten Streite begleiten. Wie?
Als Moderatoren, auf keinen Fall als Schiedsrichter. Solange kein Blut fliesst, muss man bei älteren Kindern gar nicht eingreifen. Geschwister streiten sich gerne. Es fliegen die Fetzen und es ist laut. Das ist für Eltern schlecht auszuhalten. Die Familie kann in einem ruhigen Moment ihre Regeln für Streite festlegen: Etwa, dass niemandem weh getan werden darf und dass keine Schimpfwörter erlaubt sind. An diese Regeln können Eltern beim nächsten Streit erinnern.