Die Flugangst überwinden – und unbeschwert abheben

Dr. Bettina Schindler hilft Betroffenen, ihre Ängste hinter sich zu lassen

Flugzeug
Frau Dr. Schindler, worum genau handelt es sich bei Flugangst?

In den meisten Fällen von Flugangst handelt es sich um eine einzelne Angst, eine sogenannte spezifische Phobie. Betroffene funktionieren in ihrem Alltag gut, verfallen allerdings in Angstzustände, wenn sie mit dem Fliegen konfrontiert werden.

In etwa einem Drittel der Fälle spielen bei der Flugangst mehrere Ängste zusammen.

Welche Ängste summieren sich denn in der Flugangst?

Das ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Oft handelt es sich um Angst vor Kontrollverlust, Platzangst und um die Angst zu sterben. Auch Höhenangst kann eine Rolle spielen.

Wie verbreitet ist Flugangst?

Laut aktuellen Studien sind etwa 15 Prozent der Bevölkerung betroffen. Weitere 20 Prozent fühlen sich im Flieger nicht wohl. Zusammengenommen hat also etwa jeder Dritte ein ungutes Gefühl beim Fliegen.

Wer ist besonders häufig von Flugangst betroffen?

Wie bei allen Phobien sind Frauen stärker betroffen als Männer. Darüber hinaus ist die Flugangst in jedem Alter und jeder Bildungsschicht gleichmässig verteilt. Erstaunlich ist, dass häufig auch Vielflieger eine Angst entwickeln, oft aufgrund eines negativen Erlebnisses wie heftigen Turbulenzen.

Wovor fürchten sich Menschen mit Flugangst?

Die Mehrzahl hat Angst vor Turbulenzen. Auch der Start erzeugt Angst – das Landen hingegen kaum. Verbreitet ist auch die Angst vor den Geräuschen des Flugzeugs. Hinter all dem steckt natürlich die Furcht abzustürzen und zu sterben.

Lässt sich Flugangst denn nicht einfach durch häufigeres Fliegen überwinden?

Nein. Wer diese Angst hat, den versetzt das Fliegen quasi in einen Alarmmodus. Dadurch wird das Fliegen – selbst wenn der Flug reibungslos verläuft – zum puren Stress. Das negative Empfinden verstärkt sich somit. Es entsteht ein Teufelskreis, der durch unschöne Erlebnisse wie Turbulenzen oder ähnliches zusätzlich an Dynamik gewinnt.

Wie äussert sich Flugangst?

Die Angst hat viele Symptome, die bei jedem Menschen in unterschiedlicher Intensität ausgeprägt sind. Verbreitet sind Herzrasen, ein beklemmendes Gefühl in der Brust, Kurzatmigkeit, Nervosität, Übelkeit und Schweissausbrüche.

Wie helfen Sie Betroffenen, die Flugangst abzulegen?

Zunächst geht es darum, die Angst als natürliches und wichtiges Gefühl zu akzeptieren. Im Anschluss gebe ich meinen Patienten Werkzeuge an die Hand, um ihre Angst zu kontrollieren. Wir arbeiten dabei auf körperlicher, geistiger und auf das Verhalten bezogener Ebene.

Können Sie das ein wenig veranschaulichen?

In den Kursen lernen die Teilnehmer Atemtechniken und Entspannungsübungen kennen, die den Stress reduzieren. Ich helfe ihnen, negative Gedanken in positive umzuwandeln und erkläre, wie man auf Turbulenzen reagiert. Wir besprechen Strategien, wie sich die Angst vermeiden lässt. Das reicht von einer pünktlichen, möglichst stressfreien Anreise zum Flughafen bis hin zu dem Tipp, ausreichend zu trinken, damit der Kreislauf in Bewegung bleibt.

Worauf legen Sie in Ihren Kursen den Fokus?

Es geht darum, Vertrauen zu schaffen. Das fällt oft schwer, denn wer gibt schon gerne die Kontrolle ab – noch dazu an einen Unbekannten, der der Pilot natürlich für die meisten Reisenden ist? Deshalb arbeite ich in meinen Kursen mit einem Piloten zusammen, der die technischen Aspekte des Fliegens erklärt: Warum fliegt ein Flugzeug überhaupt, wie kommt es zu Turbulenzen, welche Geräusche sind normal, welche Sicherheitstechnik gibt es? Das beruhigt viele Teilnehmer ungemein.

Sollten Betroffene das Bordpersonal auf ihre Flugangst ansprechen?

Unbedingt! Zum einen ist es schon extrem beruhigend, die Angst erst einmal benannt zu haben. Zum anderen haben die Flight Attendants dann tatsächlich ein Auge mehr auf diese «besonderen» Passagiere.

Haben Sie selbst je Flugangst gehabt?

Nein, nie. Auch nicht auf etwas turbulenteren Flügen. Ich kenne viele Piloten und habe absolutes Vertrauen in den gesamten Berufsstand.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Schindler.

So beugst du Flugangst vor

  1. Vorn sitzen. Turbulenzen sind im vorderen Teil des Flugzeugs weniger stark zu spüren.
  2. Mittig buchen. Wer im Gang sitzt, hat mehr Beinfreiheit und fühlt sich weniger eingeengt.
  3. Ablenkung schaffen. Ein Gespräch, ein Magazin, ein Hörbuch oder Film lenken dich von negativen Gedanken ab.
  4. In Bewegung bleiben. Wer viel – Alkoholfreies! – trinkt, kleine Bewegungsübungen am Platz macht und auch mal durch den Gang geht, hält seinen Kreislauf auf Trab.
  5. Infos suchen. Mach dich schlau zu deiner Airline und ihrer Unfallstatistik. Du wirst sehen: Fliegen ist die sicherste Fortbewegungsart. Guten Flug!
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