Frau Frischknecht, gibt es einen einfachen Trick für Aufräum-Faule, der die Wohnung schon viel ordentlicher wirken lässt?
Der berühmte Trick mit dem Zimmer, in dem man alles, was so rumsteht, verschwinden lässt, wenn Besuch kommt, ist zwar praktisch, hilft beim Aufräumen jedoch nur kurzfristig. Besser ist es, am Abend mit einem schönen Korb einmal durch die Wohnung zu gehen und alles, was herumliegt darin zu verstauen. Das ist schon mal ein Teilerfolg.
Wer längerfristig mehr Ordnung in sein Zuhause bringen möchte, kann sich jeden Tag fünf Minuten Zeit zum Aufräumen nehmen. Sie werden erstaunt sein, wie viel fünf Minuten ausmachen! Häufig ist ja nur der Anfang das Problem. Wenn man erst mal im Aufräummodus ist, merkt man, dass es gar nicht so schlimm ist. Ordnung halten kann zu einer täglichen Gewohnheit werden – wie Zähneputzen.
Kann man lernen, ordentlicher zu sein?
Was heisst denn überhaupt ordentlich? Jeder Mensch hat ein anderes Verständnis von Ordnung. Bei manchen Kunden fragen wir uns, wieso sie uns gerufen haben, so aufgeräumt ist es. Die Hauptsache ist, dass man sich selber wohlfühlt. Wenn es für einen passt, dann reicht das vollkommen aus. Es gibt auch noch Wichtigeres, als ständig die Wohnung aufzuräumen.
Wer aber ordentlicher werden will, dem rate ich, mit dem Aufräumen bei kleinen Sachen anzufangen – zum Beispiel sofort nach dem Aufstehen das Bett zu machen – und dann die Routine langsam auszuweiten.
Wie schafft man es, nach dem Ausmisten die Ordnung langfristig zu halten?
Dafür gibt es verschiedene Methoden. Ich empfehle das Spülmaschinenprinzip: Wenn ich die Maschine ausräume, weiss ich sofort, wo das Besteck, wo die Teller hingehören. Alles hat seinen Platz und das Einräumen passiert ganz automatisch, ohne dass ich darüber nachdenke. Dieses Prinzip sollte beim Aufräumen auch für den Rest der Wohnung gelten: Jeder Gegenstand wird nach dem Gebrauch wieder an seinem Platz verstaut. Kauft man sich etwas Neues, sollte man sich gleich überlegen, wo sein neues Zuhause sein kann.
Ein weiter Tipp ist der Grundsatz «one in, one out». Das heisst, dass ich jedes Mal, wenn ich mir etwas kaufe, etwas Altes entsorge, das ich nicht mehr benutze.
Viele Kleidungsstücke ziehen wir gar nicht mehr an. Wieso behalten wir sie trotzdem?
Ich glaube, dass wir uns oft nicht eingestehen wollen, dass wir einen Fehlkauf gemacht haben. Das Kleidungsstück hat etwas gekostet und es reut uns, es einfach wegzugeben, das wäre ja schade ums Geld.
Um Platz zu schaffen, empfehle ich, die Kleider zu spenden. Es fällt vielen leichter, loszulassen, wenn sie wissen, dass jemand anderes das Kleidungsstück gut gebrauchen kann und Freude daran hat. Die Kleider zu verkaufen ist natürlich auch eine Möglichkeit, das kostet aber Zeit. Es besteht die Gefahr, dass die ausgemisteten Kleider irgendwo in einer Kiste verschwinden, mit dem Vorsatz, sie irgendwann zu verkaufen.
Haben wir zu viel Zeug?
Ja, wir haben definitiv zu viele Sachen. Bei fast allen meiner Kunden finde ich Geld oder Geschenke, die einfach im Chaos verschwinden. Meine Grossmutter hat den Krieg erlebt, ihre Familie hat nichts weggeschmissen. Wir sind die erste Generation, die zu viel hat. Wir können alles zu jeder Tages- und Nachtzeit kaufen und das meiste davon ist ziemlich günstig, aber wir haben nicht gelernt, wie wir mit diesem Übermass umgehen sollen.
Dabei geht oft vergessen, dass jeder Gegenstand nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Arbeit kostet. Jede Deko-Vase muss abgestaubt, jede Küchenmaschine in Betrieb gehalten werden. Dieser ganze Besitz zerdrückt uns zunehmend. Man sollte sich deshalb vor dem Kauf immer fragen: Brauche ich das wirklich? Kann ich mit dem Geld nicht etwas Besseres anfangen?
Weshalb hat gerade Aufräumen so einen befreienden Effekt?
Dieses diffuse Gefühl, dass der vollgestellte Keller endlich aufgeräumt werden sollte, stresst unterbewusst. Wenn man sich der Aufgabe endlich annimmt, ist es ein unglaublicher Befreiungsschlag. Das gleiche gilt für Geschenke, die man eigentlich total hässlich findet, oder Bilder vom Ex-Mann. Sich von Sachen zu trennen, die einem nicht guttun, heisst auch, ein Stück Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das braucht Mut. Doch im Nachhinein merkt man, wie richtig die Entscheidung war.
Sie sind professioneller Ordnungscoach, was machen Sie genau? Wann ruft man Sie?
Die meisten Kunden, die sich bei uns melden, haben vorher selber versucht, Ordnung zu schaffen. Oft haben sie lange mit sich selbst gehadert, bis sie uns angerufen haben. Grundsätzlich können wir zwei unterschiedliche Kunden-Typen unterscheiden: Die ersten sind diejenigen, die wirklich einen Ordnungscoach brauchen. Wir räumen mit ihnen auf und misten aus. Meistens arbeiten wir an einem Raum zusammen und geben Tipps und Tricks. Das Aufräumen im Rest der Wohnung macht der Kunde dann alleine.
Der zweite Typ wünscht sich einen präsentierbaren Keller, einen lässigen Kleiderschrank oder ein cooles Arbeitszimmer. Ausmisten, aufräumen und ordnen möchte er allerdings nicht selber. Bei solchen Kunden geht es mehr darum, den Besitz zu strukturieren und ansprechend zu präsentieren. Da arbeiten Nicole und ich dann ohne den Kunden und präsentieren ihm am Schluss das tolle Endresultat.