Eine Abtreibung ist keine leichte Entscheidung

Was bei einer Abtreibung physisch und psychisch auf die Frau zukommt

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Spoiler

  • Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche kann eine Abtreibung durchgeführt werden.
  • Im Frühstadium erfolgt die Abtreibung medikamentös, ab der neunten Woche wird der Embryo instrumentell abgesaugt.
  • Vor, bei und nach dem Eingriff wird die Frau intensiv betreut.
  • Hauptgrund für einen Abbruch ist der unpassende Zeitpunkt der Schwangerschaft.

Eine Schwangerschaft verändert das Leben jeder Frau – auch wenn sie sich entscheidet, das Kind nicht zu bekommen. Viele Frauen sind unsicher und beschämt, wenn sie mit einer ungewollten Schwangerschaft zu ihrer Frauenärztin kommen und über eine Abtreibung nachdenken.

Zwar ist das Thema gesellschaftlich viel diskutiert, doch wird wenig wirklich darüber gesprochen. «Dabei ist das das Wichtigste. Besonders, wenn die Frau noch unsicher ist», erklärt Gynäkologin Dr. med. Irène Dingeldein. «Dann rate ich ihr, mit Angehörigen, Freunden oder mir zu reden. Erst wenn sich die Patientin ganz sicher ist, dass sie den Abbruch wünscht, wird er vorgenommen.»

Abbruch in den ersten Wochen

In der Regel bleibt für die Entscheidung immer ausreichend Zeit. Ein Abbruch kann bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legal durchgeführt werden. In den ersten neun Wochen wird der Embryo durch ein oral einzunehmendes Medikament ausgeleitet.

Im Abstand von üblicherweise 48 Stunden werden zwei verschiedene Wirkstoffe verabreicht: Bei der ersten Einnahme stoppt die «Abtreibungspille» Mifepriston die Wirkung des Hormons Progesteron und somit den Weitergang der Schwangerschaft. Bei der zweiten Einnahme löst ein Prostaglandin – ein Gewebshormon – gezielt eine Blutung aus, durch die der Embryo ausgeschieden wird. Vergleichbar mit einer stärkeren Menstruation, wird der Vorgang zur Sicherheit bei einem kurzen ambulanten Aufenthalt überwacht.

Abtreibung durch Absaugen

Ist die Schwangerschaft bereits weiter fortgeschritten, kann der Embryo aus der Gebärmutter gesaugt werden. Dieser minimalinvasive Eingriff wird ebenfalls ambulant und unter leichter Narkose in einer Praxis oder Klinik durchgeführt.

Das Erweitern des Muttermunds ermöglicht das Absaugen des Embryos mit einem kleinen Kunststoffröhrchen. Der Eingriff dauert etwa 15 Minuten. In der Woche danach tritt eine leichte Blutung auf und der Körper stellt sich hormonell wieder um, was eventuell an leichten Schmerzen in den Brüsten und im Unterleib sowie an Stimmungsschwankungen zu spüren ist. Bei beiden Eingriffen ist das Risiko für Komplikationen sehr gering, sie beeinträchtigen spätere Schwangerschaften nicht.

Mit fachlicher Unterstützung

Die Schwangere wird zu jedem Zeitpunkt von ihrer behandelnden Ärztin betreut. «Deshalb ist es wichtig, eine Ansprechperson zu haben, die man kennt und der man vertraut» meint Dr. Dingeldein.

Vor der Abtreibung finden beratende Gespräche statt und auch danach hat die Frau in ihrer Ärztin eine Ansprechperson und wird bei Bedarf zu einem Psychologen überwiesen. «Der Gedanke, ein Leben beendet zu haben, hängt der Frau häufig nach», weiss die Expertin aus Erfahrung. Deshalb ist auch die Betreuung nach dem Abbruch wichtig: «Es braucht einfach Zeit, damit abzuschliessen. Als behandelnde Ärztin stehe ich ihr bei.»

Abtreibung wegen falschem Timing

In den letzten fünf Jahren ist die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz etwa gleichgeblieben: Laut dem Bundesamt für Statistik werden jährlich etwa 10’000 Schwangerschaften abgebrochen, auf 1’000 Geburten kamen 2017 113 Abtreibung. Bei unter 18-Jährigen ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche sogar leicht rückläufig. «Ich vermute, das liegt an der zunehmend besser werdenden Aufklärung von Jugendlichen», meint Dr. Dingeldein. «Dieser Entwicklung entgegen steht der Trend zu alternativen Verhütungsmethoden wie die Hormonmessung, Temperatur- oder Billing-Methode, die unsicherer sind als Pille und Kondom.»

Die meisten Frauen geben als Hauptgrund für einen Schwangerschaftsabbruch das falsche Timing an. «Die Karriere ist dabei nicht immer der Grund. Frische Trennungen oder andere familiäre Umstände, gesundheitliche oder finanzielle Probleme können einer Schwangerschaft ebenfalls im Weg stehen», weiss die Expertin. Dass eine Schwangerschaft nicht in die momentane Lebensplanung der Frau oder des Paares passt, bedeutet jedoch nicht, dass sie grundsätzlich keine Kinder möchten. Oft besteht der Wunsch nach einer Familiengründung zu einem späteren Zeitpunkt.

Die Frau entscheidet

Die Krankenkassen übernehmen in der Grundversicherung die Kosten einer Abtreibung. Nach den ersten zwölf Schwangerschaftswochen darf der Abbruch jedoch nicht mehr straffrei vorgenommen werden. Nur wenn ein medizinischer Grund vorliegt wie etwa gesundheitliche Probleme oder eine grosse psychische Belastung durch die Schwangerschaft zu befürchten ist, kann eine Abtreibung auch zu einem späteren Zeitpunkt noch durchgeführt werden.

«Rein rechtlich hat die Schwangere das letzte Wort, was den Abbruch angeht – egal wie alt sie ist. Auch Minderjährigen ist dieses Recht vorbehalten», so Dr. Dingeldein. Weder der Facharzt noch der Partner oder Angehörige dürfen die Schwangere in eine Richtung leiten. «Die Entscheidung liegt ganz bei ihr», bekräftigt die Gynäkologin. In Zweifelsfällen wird ein Gutachten durch einen Psychologen oder einen Ethikrat erstellt, bevor der Eingriff durchgeführt wird. «Dazu kommt es jedoch sehr selten», weiss Dr. Dingeldein.

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