Spoiler
- Bei einer Vorhautverengung (Phimose) lässt sich die Vorhaut nicht oder nur schwer über die Penisspitze nach hinten schieben.
- Bei Babys und kleinen Jungen ist das völlig normal und löst sich meist von selbst bis zum Ende des fünften Lebensjahres. Hält das Phänomen an oder treten Beschwerden im Erwachsenenalter auf, kommen zunächst Cremes und Lokalbehandlungen zum Einsatz. Bei wiederholten Infektionen oder starken Verengungen hilft nur eine (Teil-)Beschneidung.
- Die Phimose kann sich durch Schmerzen, auch bei Erektionen und beim Geschlechtsverkehr, Entzündungen der Eichel und Vorhaut, wiederholte Harnwegsinfekte oder Probleme beim Wasserlassen äussern.
- Eltern sollten bei Verdacht auf eine Vorhautverengung die Kinderarztpraxis konsultieren, dort weiss man, was zu tun ist.
Was versteht man unter einer Vorhautverengung?
Ist die Vorhaut so eng, dass man sie nicht oder nur mühsam über die Eichel, also die Penisspitze, zurückstreifen kann, spricht man von einer Vorhautverengung. Dadurch kann sich die Reinigung erschweren und es kann zu Beschwerden wie Schmerzen und Infekten kommen. Bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr ist eine Phimose ganz normal: «Anfangs ist das innere Vorhautblatt mit der Eichel verklebt und bietet so einen gewissen Schutz vor Infektionen der Eichel, des Penis oder der Harnröhre. Die Verengung und Verklebung lösen sich vom dritten bis zum fünften Lebensjahr von selbst. Eltern müssen da nicht auf eine übertriebene Hygiene achten. Oftmals lösen sogar die Kinder die Verklebung, wenn sie anfangen, ihr Genital zu erkunden», erklärt Prof. Herrmann. Besteht die Verengung über das fünfte Lebensjahr hinaus, könnte eine angeborene Engstellung oder eine narbige Einengung aufgrund einer Entzündung die Ursache sein.
Neben Babys und Kindern gibt es noch zwei Altersgruppen, in denen sich eine Phimose bemerkbar macht: Wurde sie nicht bereits beim Kinderarzt festgestellt, kann die Verengung in der Pubertät auffallen, wenn sie bei den ersten sexuellen Aktivitäten stört. Die zweite Gruppe sind ältere Männer, nicht selten bereits in urologischer Behandlung, bei denen sich das Gewebe so verändert, entzündet oder vernarbt, dass es dadurch zur Phimose kommt.
«Wird die Vorhaut trotz einer Verengung über die Eichel zurückgeschoben, kann sie diese einschnüren. Daraufhin können die Eichel und Vorhaut so stark anschwellen, dass sich die Vorhaut nicht mehr nach vorn bewegen lässt. Diese Paraphimose ist sehr schmerzhaft und immer ein urologischer Notfall, da die Penisspitze unter Umständen nicht mehr richtig durchblutet wird», erläutert der Experte den sogenannten ‹Spanischen Kragen›, eine Analogie der ausladenden Halskrausen auf den Bildern der Habsburger Dynastie in Spanien.
Symptome einer Phimose
«Meist bemerken Eltern oder Betroffene selbst, dass sich die Vorhaut nicht verschieben lässt und Schmerzen verursacht. Daneben kann sich der Penis bei einer Erektion gegebenenfalls nicht richtig entfalten und sie birgt Schmerzen, auch beim Geschlechtsverkehr. Nicht selten kommt es aufgrund der Einschränkungen in der Penishygiene zu Entzündungen der Eichel, der Vorhaut oder beidem, da sich dort Hefebakterien vermehren, und zu wiederkehrenden Harnwegsinfekten. Die Folgen sind Juckreiz und bräunlicher Ausfluss», berichtet der Urologe. Schwere Vorhautverengungen können sogar das Wasserlassen beeinträchtigen, da die Vorhaut die Harnwege komprimiert. Staut sich der Urin, kann sich die Vorhaut wie ein Ballon aufblähen.
Ursachen für die Engstelle: angeborene oder erworbene Vorhautverengung
«Bei den meisten Kindern ist die Vorhautverengung angeboren und löst sich. Eine primäre Phimose kann jedoch auch mal über die Pubertät hinaus bestehen, wenn sich der Ablöseprozess nicht wie üblich vollzieht. Als sekundäre Phimose bezeichnen wir eine Vorhautverengung aufgrund von Erkrankungen wie Harnwegs- oder Penisentzündungen und Narbenbildung», sagt Prof. Herrmann. Narben können sich bilden, wenn die Vorhaut in jungen Jahren gewaltsam zurückgeschoben wird und einreisst. Eine häufig mit Phimose im Zusammenhang stehende Krankheit ist Lichen sclerosus, eine entzündliche Hauterkrankung und Autoimmunreaktion, welche zu einer Verhärtung der Haut führt. «Harnwegsinfekte können genauso die Ursache wie die Folgen sein. Darum besteht nach mehrfachem Auftreten solcher Infektionen immer Handlungsbedarf, damit die wiederkehrenden Entzündungen das Problem nicht weiter verstärken.» Ältere Patienten mit Blasenkatheter haben ein höheres Risiko für Infektionen und eine Phimose. «Durch chronische Infektionen verändert sich die Schleimhaut der Eichel, bis hin zu eitrigen Entzündungen. Daher sehen wir in dieser Altersgruppe häufiger Fälle mit Handlungsbedarf», so der Experte. Eine weitere Ursache sind sexuell übertragbare Krankheiten wie Kondylome (Feigwarzen), welche das Vorhautblatt befallen. «Die verursachenden Viren, humane Papillomaviren (HPV), sind daneben auch für gewisse Krebssorten sowohl beim Mann als auch bei der Frau verantwortlich.»
Ratschlag für die Eltern
«Grundsätzlich sollten Eltern Ruhe bewahren und ihr Kind nicht verrückt machen, indem sie ein grosses Ritual um die Vorhaut entwickeln. Das kann Kinder traumatisieren. Solange es nicht zu Infekten kommt, ist alles gut. Für die Abklärung gehen sie am besten zur Kinderärztin oder zum Kinderarzt, nicht direkt in die urologische Praxis. Die Fachpersonen in der Kinderarztpraxis können Eltern und Kind super beruhigen. Sie wissen was zu tun ist und haben für Entzündungen die richtigen Präparate. Sollte eine weitere Behandlung notwendig sein, schicken sie ihre kleinen Patienten zu einer geeigneten urologischen Fachkraft, von der sie bereits wissen, dass sie das gut macht. Das sind meist gut geübte Netzwerke, auf die man sich verlassen kann. Das Problem sollte jedoch unbedingt vor der Pubertät gelöst werden – für eine freie Entfaltung der sexuellen Identität.»
Zurück zur Beweglichkeit – Behandlungsmethoden
Bei Kindern wartet man zunächst einmal ab, gerade wenn die Vorhautverengung keinerlei Beschwerden verursacht, ob sich das Phänomen mit der Zeit verwächst. Kommt es zu Entzündungen oder Beschwerden, besteht Handlungsbedarf. «Zum Einsatz kommen kortikoidhaltige Salben. Diese wirken der Entzündung entgegen und machen das Gewebe weicher. Zusammen mit der Creme kann die Vorhaut sanft gedehnt werden. Das kommt jedoch nur bei jungen Menschen und nicht so schweren Fällen infrage», klärt der Urologe über die konservative Therapie auf. «Gerade bei Erwachsenen oder wenn bereits wiederholt Entzündungen aufgetreten sind, machen wir eine Beschneidung oder Teilbeschneidung. Dabei wird die Vorhaut entweder vollständig oder nur zum Teil entfernt, um deren Beweglichkeit zu erhöhen. Bei Patienten, die keine Zirkumzision wünschen, können wir alternativ auch eine «Einschneidung» machen, wenn man von oben auf den Penis schaut auf zwölf Uhr. So bleibt die Vorhaut wie eine Schürze über der Eichel erhalten, der Penis kann jedoch normal gereinigt werden.» Die Operation wird meist unter lokaler Betäubung oder in Vollnarkose durchgeführt und dauert nicht lang. Die Erholungszeit ist ebenfalls recht kurz. «Wenn der Eingriff fachgerecht durchgeführt wird, kann der Patient meist wenige Tage später schon wieder zur Arbeit gehen. Nur sollte bis zum Abschluss der Wundheilung nicht gebadet werden, um eine Infektion zu vermeiden. Mit Geschlechtsverkehr sollte man drei Wochen warten, da die Wunde noch nicht ganz stabil und die mechanische Belastung hoch ist. Am Anfang empfehlen wir, ein Kondom zu nutzen, da es den Zug auf die Penisschafthaut vermindert», rät der Urologe.
In einem Punkt ist der Experte ganz deutlich: Eine Vorhautverengung sollte behandelt werden, selbst wenn sie nur leichte Beschwerden verursacht. «Die Folgen einer unbehandelten Phimose können chronische Entzündungen, schwere Harnwegsinfekte, Eichel- und Vorhautentzündungen, Weichteilinfekte, Krebsvorstufen und später Krebserkrankungen sein. Wenn sich die Haut dauernd erneuern muss, erschöpft sich ihre Regenerationsfähigkeit und das kann zu Krebs führen.»
Die Beschneidung: ein zweischneidiges Schwert
Alle Veränderungen der Vorhaut sind Eintrittspforten für andere Infektionen. «Wir sehen bei beschnittenen Kulturen eine deutlich verringerte Rate bei viralen Erkrankungen und Geschlechtskrankheiten. Zudem senken eine gesunde Eichelhaut und ein kurzes inneres Vorhautblatt das Risiko für HIV. Das geringe Vorkommen von Peniskrebs und, bei Frauen, von Gebärmutterhalskrebs in diesen Gruppen lässt sich mit der Beschneidung erklären. Dennoch ist es nicht notwendig, gesunde Menschen zu beschneiden, da es heute die HPV-Impfung gibt, die das Aufkommen dieser Krebsarten heute um 70 bis 80 Prozent reduziert.»
Ein einfacher Harnwegsinfekt, eine E.coli-Infektion oder Mischinfektionen aus Bakterien und Hefen können zu einer Entzündung führen und damit eventuell zu einer erworbenen Phimose. Eine einzelne Entzündung sei dabei laut dem Experten aber noch kein Problem, hat man jedoch wiederkehrende Infektionen, besteht Handlungsbedarf. «Mit jeder Entzündung verändert sich die Haut, es wird schlimmer und die plastische Rekonstruktion schwieriger. Wenn es dann im Verlauf der Zeit wirklich sehr eng wird, ziehen sich die Männer zurück. Sie haben Schmerzen beim Verkehr, Missempfindungen, Entzündungen und die Libido vergeht ihnen. Um das zu vermeiden, empfehlen wir in solchen Fällen eine Beschneidung.»
Demgegenüber muss man sich der möglichen Folgen einer Zirkumzision bewusst sein: «Einige Patienten berichten, dass sie schlechter erregbar sind. Vor allem bei Communities, in denen früh beschnitten wird, ist eine verminderte Stimulationsfähigkeit bekannt, da die Eichel und das Vorhautband (Frenulum) an Sensitivität verlieren, weil die Oberfläche verhornter ist durch die Exposition der Eichel. Nicht selten hören wir, dass das Durchhaltevermögen steigt, das ist zunächst erfreulich. Es kann aber so weit gehen, dass der Sex sehr viel länger wird, die Männer schwerer erregbar sind und nicht mehr oder spät zum Orgasmus kommen», berichtet Prof. Herrmann. «Es gibt sogar Bewegungen, in denen zeremoniell beschnittene Männer eine Rekonstruktion ihrer Vorhaut wünschen. Dass die Sensibilität zurückkommt, ist jedoch unwahrscheinlich. Da empfehlen wir eher eine Sexualtherapie, um einen Weg zu einem erfüllten Sexualleben zu finden. Um das Problem mit der Empfindlichkeit zu umgehen, gibt es mittlerweile verschiedene Varianten für die Beschneidung, bei der die Vorhaut nur gekürzt wird, sodass sie das Frenulum noch bedeckt, oder bei der nur das innere Vorhautblatt entfernt und das äussere wieder angenäht wird, sodass ein grosser Teil der Eichel noch bedeckt ist. Gerade bei rekonstruktiven Verfahren wie dem letzteren, besteht jedoch das Risiko von Entzündungen und Vernarbungen, die dann erneut zu einer Vorhautverengung führen können.»
Welche Methode infrage kommt, hängt von vielen Faktoren wie der Anzahl der Entzündungen, dem Zustand des Gewebes, den Risiken bei einer grösseren Operation und den individuellen Wünschen des Patienten ab.