Spoiler
- ‹REM› bedeutet ‹schnelle Augenbewegungen›.
- Besonders in den frühen Morgenstunden fallen wir länger in die REM-Schlafphase.
- An Träume aus dem REM-Schlaf können wir uns klarer erinnern, da diese Schlafphase bezüglich Hirnfunktion dem Wachzustand am nächsten ist.
Hast du dich schon einmal gefragt, warum du abends müde und morgens wach wirst? Warum überfällt dich regelmässig eine so starke Müdigkeit, dass du einschläfst? Verantwortlich dafür ist unsere innere Uhr. Sie sitzt im Gehirn und steuert den sogenannten endogenen (inneren) 24-Stunden-Rhythmus, der auch den Schlaf-Wach-Rhythmus bestimmt. «Die innere Uhr sorgt dafür, dass wir im Einklang mit dem äusseren Tag-Nacht-Rhythmus müde werden und wieder aufwachen. Eine zentrale Rolle spielen dabei spezielle Nervenzellen, die je nach Tageszeit unterschiedliche Signale abgeben», erklärt Dr. phil. Daniel Brunner, zertifizierter Schlafmediziner. Zum Beispiel hemmen sie bei Licht die Ausschüttung des Dunkelhormons Melatonin, in der Dunkelheit regen sie dessen Produktion an. Dadurch passt sich unser Körper dem Tag-Nacht-Rhythmus der Umgebung an und reguliert den Wechsel zwischen Wach- und Schlafzustand.
Die verschiedenen Schlafphasen
Der endogene Rhythmus der inneren Uhr ist nicht nur der Taktgeber dafür, ob wir wach sind oder schlafen, er bestimmt auch den Tagesverlauf aller Gehirn- und Körperfunktionen. Generell werden in der Schlafforschung und Schlafmedizin zwei Formen des Schlafs unterschieden: der Non-REM-Schlaf und der REM-Schlaf. Dabei wird der Non-REM-Schlaf in drei Stadien unterteilt. Charakteristisch ist die zyklische Schlafstruktur mit regelmässiger Abfolge von Non-REM- und REM-Schlaf. Beim Menschen dauert der Non-REM-REM-Schlafzyklus ungefähr 90 Minuten, so dass je nach Schlafdauer eine Nacht drei bis sechs Zyklen enthält. Die Dauer des REM-Schlafs nimmt mit der Anzahl Zyklen zu, die des Non-REM-Schlafs ab. Diesen Aufbau nennt Dr. Brunner auch Schlafarchitektur oder Schlafprofil.
Einschlafphase (Non-REM-Schlafphase, Stadium N1)
Wie der Name schon sagt, stellt diese Schlafphase den Übergang vom Wach- zum Schlafzustand dar. Du bist weder richtig wach, noch schläfst du. Deine Muskulatur entspannt sich zunehmend und dein Atem geht ruhig und regelmässig.
Einschlafzuckung
Kennst du das Gefühl, wenn du beim Einschlafen heftig zusammenzuckst? «Diese plötzliche Muskelkontraktion wird ‹Einschlafzuckung› genannt und geht mit einer raschen Entspannung der Muskulatur einher. Diese Zuckung zeigt sich oft während der Einschlafphase, kann aber genauso während einer Entspannungsmassage auftreten», erklärt Dr. Brunner.
Leichtschlafphase (Non-REM-Schlafphase, Stadium N2)
Diese Phase macht den Grossteil unseres Schlafs aus und spielt eine Rolle bei der Speicherung von Erinnerungen. Wir schlafen hier eher oberflächlich und sind leicht aufzuwecken.
Tiefschlafphase (Non-REM-Schlafphase, Stadium N3)
Während diesem Stadium befinden wir uns in einem tiefen Schlaf und lassen uns nicht mehr leicht aufwecken. Besonders zu Beginn der Nacht fällt man in eine längere Tiefschlafphase, während die nachfolgenden Schlafzyklen zunehmend weniger Stadium N3, dafür mehr Stadium N2 enthalten.
REM-Schlafphase
Im Gegensatz zur Tiefschlafphase werden die REM-Schlafphasen im Laufe der Nacht länger und sind durch schnelle Augenbewegungen, eine völlige Erschlaffung der Muskeln und lebhafte Träume gekennzeichnet. Ausserdem ist der REM-Schlaf bezüglich Hirnfunktionen dem Wachzustand am ähnlichsten.
Die REM-Schlafphase unter der Lupe
REM steht für ‹Rapid Eye Movement› – auf Deutsch ‹schnelle Augenbewegungen›. Diese können als das Markenzeichen des REM-Schlafs bezeichnet werden, weil in den Non-REM-Schlafphasen keine schnellen Augenbewegungen auftreten.
Warum brauchen wir eigentlich den REM-Schlaf?
Der REM-Schlaf spielt eine entscheidende Rolle für unser Gedächtnis, unsere Emotionen und unser Nervensystem. «In dieser Phase verarbeitet das Gehirn die Eindrücke des Tages, ordnet sie und speichert wichtige Informationen ab», erklärt Dr. Brunner. «Vor allem die Erinnerung an gelernte Fähigkeiten wie Bewegungsabläufe wird in dieser Schlafphase gefestigt.
Diesen Effekt machen sich Leistungssportler zunutze: Sie wissen, wie wichtig ausreichender Schlaf ist, denn nur wenn die Bewegungsabläufe aus dem Training im REM-Schlaf verinnerlicht werden, lassen sich im Wettkampf Höchstleistungen abrufen», weiss der Experte.
Lahm, aber doch schnell?
In der REM-Schlafphase sind nicht nur schnelle Augenbewegungen, sondern noch weitere physiologische Veränderungen zu beobachten. «Das spannende am REM-Schlaf ist die Lähmung der Muskeln: Wir nennen diesen erschlafften Musekelzustand Atonie», erklärt der Schlafexperte. Die Muskulatur ist dabei vollständig erschlafft – einzig die Augen- und Innenohrmuskulatur bleiben aktiv. Phasenweise sind feine Muskelzuckungen in den Fingern, Füssen und im Gesicht vorhanden.
Die Erschlaffung der Muskeln kann als ein Schutzmechanismus verstanden werden, denn während wir lebhaft träumen, wäre es gefährlich, das Geträumte tatsächlich körperlich auszuführen. Fällt diese Lähmung weg, sind im REM-Schlaf Bewegungen möglich und es liegt eine Schlafstörung vor. Dr. Brunner klärt diese Störung bei Menschen ab, die im Schlaf um sich schlagen, schreien und aus dem Bett fallen. Dies kommt vor allem bei Menschen im höheren Alter, bei Demenz und anderen Hirnerkrankungen vor.
Ein weiteres Merkmal des REM-Schlafs ist die Veränderung der Herzfrequenz und Atmung. «Im REM-Schlaf ist unsere Atmung unregelmässig. Besonders dann, wenn sich die Augen schnell bewegen, wird die Atmung schneller und unstetig. Viele kennen das aus Beobachtungen ihrer schlafenden Haustiere. Auch die Herzfrequenz und der Blutdruck sind in dieser Phase variabler und erhöht», weiss Dr. Brunner.
«Im REM-Schlaf wird die Regulierung der Körpertemperatur auf ein Minimum reduziert. Das bedeutet, dass wir bei Hitze nicht schwitzen, wie es der Körper normalerweise tut, um sich abzukühlen. Wenn es kalt ist, fangen wir nicht an zu zittern, um uns wieder aufzuwärmen», verrät der Somnologe. Warum aber verzichtet unser Körper auf diese lebenswichtige Funktion in einem so verletzlichen Zustand wie dem Schlaf? Da die Wärmeregulation sehr viel Energie kostet, vermutet man, dass diese Funktion im REM-Schlaf auf Sparflamme gehalten wird. Die Energie wird für andere Dinge verwendet, zum Beispiel für die Verarbeitung und Speicherung von Lerninhalten. Ganz genau weiss man das aber nicht.
REM-Mangel
Gesunde Erwachsene sollten täglich etwa sieben bis acht Stunden schlafen, wobei der Bedarf individuell stark variiert. Von diesen sieben oder acht Stunden befindet man sich im Durchschnitt etwa 90 Minuten in der REM-Schlafphase. Gar nicht so lange wie man meinen würde, oder?
Entfallen für mehrere Wochen diese 90 Minuten REM-Schlaf, sprechen wir von einem selektiven REM-Schlafmangel. Dieser tritt meist dann auf, wenn man täglich sehr früh morgens – das heisst um circa fünf Uhr oder früher – aufsteht und keine längere REM-Schlafphase durchlebt.
«Bei einem Mangel an REM-Schlaf verlagern sich die Phänomene des REM-Schlafs in den Wachzustand», weiss Dr. Brunner. Fantasien aus Träumen vermischen sich mit Gedanken und man hat Schwierigkeiten zu unterschieden, was Einbildung und was Realität ist. «Leichte Symptome treten bereits bei Schlafmangel im Alltag auf. Wenn man über längere Zeit nur sehr kurz schläft, zeigt die Muskulatur überdies im Wachzustand Lähmungserscheinungen.»
«Bei einem Mangel kann der REM-Schlaf vor allem morgens gut nachgeholt werden, weil wir dann, gesteuert vom endogenen Tagesrhythmus, länger in die REM-Phase fallen», erklärt der Schlafexperte. «Bei allgemeinem Schlafmangel eignet sich ebenfalls ein Mittagsschlaf, um den Schlafdruck zu senken.»
Mythos aufgedeckt!
Oft wird angenommen, dass nur in der REM-Schlafphase geträumt wird. Doch Dr. Brunner erläutert dazu den gegenwärtigen Wissensstand: «Die lebhaften Träume, an die wir uns erinnern, stammen aus dem REM-Schlaf. Während der REM-Schlafphase sind wir viel näher am Wachzustand als in den Non-REM-Phasen, denn die Hirnströme sind denen im Wachzustand sehr ähnlich. Wir träumen allerdings auch in den Non-REM-Phasen, bloss können wir uns diese Träume weniger gut ins Gedächtnis rufen.»
Selbst wenn wir es im Schlaf nicht wahrnehmen, laufen hochkomplexe Prozesse ab, die uns nicht nur helfen, die Eindrücke des Tages zu sortieren und zu speichern, sondern auch unseren Körper befähigen, sich zu regenerieren und zu erholen.