So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Dieser Grundsatz gilt für die Therapie nach der Brustkrebsoperation. Zentral ist die Frage nach einer Chemotherapie: Ist sie wirklich notwendig? Bei einigen Patientinnen lässt sich diese Frage mit konventionellen Untersuchungen nicht klären. In dieser Situation bietet eine sogenannte Genexpressionsanalyse eine grosse Hilfe.
Die Analyse der Genaktivität hilft, mehr Sicherheit in der Therapieentscheidung zu gewinnen. Hierzu im Interview die Experten Prof. Dr. Stefan Aebi und Prof. Dr. Joachim Diebold.
Was wertet eine Genexpressionsanalyse genau aus?
Die Genexpressionsanalyse misst die Aktivität von Genen im Brustkrebs und erlaubt damit eine Voraussage des Verhaltens des Krebses. Die Analyse trägt unter anderem dazu bei, aggressivere von weniger aggressiven Formen von Brustkrebs zu unterscheiden.
Für welche Frauen lohnt sich eine Genexpressionsanalyse?
Bei vielen Patientinnen ist das Vorgehen klar anhand der klassischen Merkmale wie Tumorgrösse, Befall von Lymphknoten oder Nachweis von Rezeptoren (Empfängern) für das Hormon Östrogen im Brustkrebs. Eine Genexpressionsanalyse kann dann sinnvoll sein, wenn das beste Vorgehen nicht eindeutig ist. Das trifft zum Beispiel zu bei Patientinnen mit einem mässig rasch wachsenden Brustkrebs, der Östrogenrezeptoren hat und die Lymphknoten der Achselhöhle nicht oder nur gering befällt.
Wie verlässlich ist das Ergebnis einer Genexpressionsanalyse?
In unklaren Situationen verbessert eine Genexpressionsanalyse die Einschätzung der Prognose. Allerdings unterscheiden sich die verschiedenen Tests voneinander, sodass die Abschätzung der Prognose nicht mit jedem Test genau gleich ausfällt. Die Zuverlässigkeit der Tests beruht derzeit noch auf rückblickenden Studien. Sie wird sich noch verbessern lassen dank vorausblickender, laufender Studien, in denen der Wert der Tests noch besser erforscht wird.
Wie häufig kann durch eine Genexpressionsanalyse auf eine Chemotherapie verzichtet werden?
Betrachtet man alle Patientinnen, die an Brustkrebs erkranken, wird man vielleicht bei zehn Prozent wegen des Tests gegen eine Chemotherapie raten. Bei der Mehrzahl der Patientinnen wird man auch ohne Genexpressionsanalyse auf eine Chemotherapie verzichten, bei einer Minderheit wird man auf jeden Fall zu einer Chemotherapie raten müssen.
Wo stossen die Tests an ihre Grenzen?
Die Tests sind noch unzuverlässig beim Abschätzen der Wirkung moderner Chemotherapien und sie sind noch keine Hilfe bei der Auswahl der verschiedenen Medikamente, die in der Brustkrebstherapie gebraucht werden.
Ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Genexpressionsanalyse weiterentwickeln?
Von den bestehenden Genexpressionsanalysen ist zu erwarten, dass sie sich künftig noch besser einsetzen lassen: bei den richtigen Patientinnen, mit richtiger Interpretation des Ergebnisses. Interessanter sind aber künftige Genexpressions-, Gen- und Eiweissanalysen, mit denen sich die Wirkung einzelner Medikamente voraussagen lässt, sodass die Therapien besser als jetzt auf die einzelne Patientin abgestimmt werden können.