Die Folgen von Diabetes für die Herz-Kreislauf-Gesundheit

Wer sein Risiko kennt, kann besser vorbeugen

Diabetes Herz: Unscharfes Foto mit warmen, herzförmigen Lichtern, die eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugen. Eine Erinnerung daran, dass Diabetes und Herzgesundheit eng miteinander verbunden sind.

Spoiler

  • Mehr als 50 Prozent der Menschen mit Diabetes entwickeln im Verlauf ihres Lebens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. Auch Nieren, Leber und Augen können durch den Diabetes geschädigt werden.
  • Krankheiten des Herzens und der Blutgefässe verursachen im Anfangsstadium nur sehr subtile Beschwerden, wie beispielsweise Müdigkeit. Diabetikerinnen und Diabetiker sollten deshalb regelmässig auf das Vorliegen von Herz-Kreislauf-Problemen untersucht werden.
  • Bei der Behandlung geht es darum, den zugrunde liegenden Diabetes wie auch die Folgeerkrankungen und die zusätzlichen Risikofaktoren (Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung) zu therapieren. Dafür stehen moderne Medikamente (zum Beispiel GLP-1-Rezeptoragonisten, SGLT2-Hemmer) zur Verfügung, die sich positiv auf Diabetes, Herz, Nieren und andere Organe auswirken.
  • Ein gesunder Lebensstil bildet die Basis der Therapie: Bewegung und Ernährung sind wichtige Faktoren.

Bereits lange Zeit ist bekannt, dass Diabetes einen der grössten Risikofaktoren für die Entwicklung von Arteriosklerose darstellt. Dieser Begriff bezeichnet eine krankhafte Veränderung der Arterien, die zu diversen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie beispielsweise einem Herzinfarkt und Schlaganfall führen kann. «In den letzten Jahren hat sich allerdings gezeigt, dass Diabetes auch eine zentrale Rolle spielt bei der Entstehung von Herzinsuffizienz und gewissen Herzrhythmusstörungen», sagt Dr. Bossard. 

Hinzu kommt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes häufig einen ungesunden Lebensstil pflegen und übergewichtig sind. «Besonders Bauchfett, das sogenannte viszerale Fett, ist schädlich, denn es kann zu entzündlichen Reaktionen im Körper führen, die auch die Gefässe betreffen», ergänzt Dr. Fischli.

Inzwischen weiss man, dass weit über 50 Prozent der Personen mit Diabetes Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln. Die Herausforderung: Gefäss- und Herzprobleme wie Bluthochdruck oder eine Herzschwäche bleiben oft lange unerkannt, da sie zu Beginn keine oder nur unspezifische Beschwerden verursachen. «Man muss aktiv danach suchen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass nicht nur das medizinische Personal auf den Zusammenhang zwischen Diabetes und Herzkrankheiten sensibilisiert wird, sondern auch die Betroffenen selbst», betont Dr. Bossard.

Diabetes Typ 1, Diabetes Typ 2 und das metabolische Syndrom

Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung. Das körpereigene Immunsystem zerstört insulinproduzierende Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Die Zellen können den durch die Nahrung zugeführten Zucker ohne Insulin nicht aufnehmen. Als Folge steigt der Blutzuckerspiegel. Diabetes Typ 1 wird häufig bereits in der Kindheit oder im jungen Erwachsenenalter diagnostiziert und wird mit regelmässigen Insulinspritzen beziehungsweise durch den Einsatz einer Insulinpumpe therapiert. Die Ursachen von Diabetes Typ 1 sind noch nicht vollständig geklärt.

Diabetes Typ 2 wird hingegen durch einen ungesunden Lebensstil (wenig Bewegung, Übergewicht, ungesunde Ernährung) und durch eine erbliche Veranlagung begünstigt. Diabetes Typ 2 ist viel stärker verbreitet: Er macht etwa 90 Prozent aller Diabetes-Erkrankungen aus. Diabetes Typ 2 verläuft schleichend und wird in der Regel erst nach einigen Jahren entdeckt – weil auch diese Erkrankung im Anfangsstadium keine auffälligen Beschwerden verursacht. Zum Zeitpunkt der Diagnose können Folgeerkrankungen bereits präsent sein. «Es ist möglich, dass zuerst eine Folgeerkrankung bemerkt wird und wir dann feststellen, dass die Ursache ein unbehandelter Diabetes war», erklärt Dr. Fischli.

Beim metabolischen Syndrom treten mehrere Erkrankungen oder Symptome gemeinsam auf, dazu gehören Übergewicht, Bluthochdruck, Zucker- und Fettstoffwechselstörungen. Betroffene haben ein hohes Risiko, einen Diabetes Typ 2 zu entwickeln. «Aber auch ohne das Vorliegen eines Diabetes ist bei Menschen mit einem metabolischen Syndrom die Gefahr für Herzkrankheiten und andere Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems stark erhöht», so der Diabetologe.

Warnzeichen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Die Symptome für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind auch bei gesunden Menschen zu Beginn unauffällig und unspezifisch. Diabetes kann jedoch die Nerven so stark schädigen (Neuropathie), dass Betroffene die für Durchblutungsstörungen des Herzens typischen Brustschmerzen häufig gar nicht spüren. Die ersten Anzeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist, sind bei ihnen deshalb noch leichter zu übersehen.

Dr. Bossard nennt Atemnot, Müdigkeit und ein Leistungsknick als mögliche Warnhinweise. Besonders letzterer lässt ihn aufhorchen: «In meinem Praxisalltag höre ich oft, dass man mit 60 halt einfach nicht mehr so fit sei wie früher. Wenn ich dann genauer nachfrage, schildern mir meine Patienten, dass sie beim Spazieren neuerdings immer ein paar Meter hinter ihre Frau zurückfallen oder dass sie das Treppensteigen stark erschöpft. Ein Leistungsknick mit 60 ist per se aber nicht normal und kann ein Zeichen für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung sein.»

Ein anderer Hinweis auf beeinträchtigte Blutgefässe ist die erektile Dysfunktion. Wenn es mit der Erektion nicht mehr so recht klappen will, können verkalkte Gefässe oder mit dem Diabetes verbundene Nervenprobleme der Grund sein. Auch wenn dieses Problem sensibel und privat sein mag, sollte es auf jeden Fall in der Hausarztpraxis oder beim Spezialisten angesprochen werden.

Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten: Tests zur Früherkennung

«Sobald ein Diabetes diagnostiziert wurde, ist das Ziel, die Person regelmässig – in der Regel jährlich – auf das Vorliegen von Organerkrankungen zu untersuchen. Neben dem Herzen kann Diabetes nämlich auch die Nieren, die Leber, Augen und die Nerven schädigen», so Dr. Fischli. Eine gute hausärztliche Versorgung ist gerade bei Diabetes zentral: Der Blutzucker und das Cholesterin sollten korrekt eingestellt sein, der Blutdruck regelmässig gemessen und die Medikamenteneinnahme überprüft werden. «Zusätzlich sollten die Füsse, die Augen sowie die Nierenfunktion und die Eiweissausscheidung im Urin in festgelegten Zeitabständen kontrolliert werden», rät der Experte.

Bei der Früherkennung und zur Überwachung von einer Herzinsuffizienz wird in der Hausarztpraxis ein sogenanntes NT-proBNP-Screening durchgeführt. «Dabei handelt es sich um einen einfachen, kostengünstigen Bluttest, der bei Diabetikerinnen und Diabetikern etwa einmal pro Jahr durchgeführt werden sollte. Der Test kann im Rahmen der anderen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden und bedeutet keinen Mehraufwand für die Betroffenen», betont Dr. Bossard.

Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten bei Diabetes

Grundsätzlich unterscheidet sich die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Gesunden und bei Menschen mit Diabetes nicht. Es geht zum einen darum, die Ursache – also den Diabetes – zu therapieren, und zum anderen die Folgeerkrankungen zu behandeln.

Dr. Bossard verweist allerdings darauf, dass gerade ältere Diabetikerinnen und Diabetiker nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall ein höheres Risiko für Folgeprobleme haben können. Aus diesem Grund werden sie bei Bedarf engmaschiger kontrolliert.

Der zentrale Ansatz zur Behandlung von Diabetes Typ 2 ist die Gewichtsreduktion, die heutzutage medikamentös mit sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten erfolgt. Diese Medikamente kommen seit über zehn Jahren erfolgreich zum Einsatz und sind einer breiten Öffentlichkeit in den letzten Jahren als ‹Abnehmspritzen› bekannt geworden. Diesen Begriff hört Dr. Fischli allerdings nicht gerne: «Damit wird impliziert, dass es nur um einen ästhetischen Aspekt gehe, aber diese Medikamente senken neben dem Gewicht und dem Blutzucker zusätzlich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sind hochwirksam und sicher», führt er aus.

Ebenso revolutionär war die Erfindung von SGLT-2-Hemmern. «Diese Medikamente wurden ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt. Es hat sich gezeigt, dass diese Wirkstoffklasse nicht nur den Blutzuckerspiegel optimiert, sondern auch einen positiven Effekt auf die Herz- und Nierenfunktion hat. Sie sind einfach in der Handhabung und gut verträglich», beschreibt Dr. Bossard.

Ein gesunder Lebensstil: Prävention und Basis der Behandlung

Medikamente sind hilfreich und wichtig. Die beste Prävention und die Basis der Therapie bildet jedoch immer ein gesunder Lebensstil. «Änderungen des Lebensstils sind nicht immer einfach und nachhaltig umzusetzen, wie wir alle wissen. Menschen mit Diabetes stehen deshalb verschiedene Angebote zur Verfügung. Der Besuch einer Ernährungsberatung ist beim Einsatz von ‹Abnehmspritzen› sogar gesetzlich vorgeschrieben. Speziell ausgebildete Ernährungsberaterinnen und -berater liefern ausserdem wertvolle Tipps, wie Betroffene mit Hilfe von Ernährung ihre Blutzuckerkontrolle verbessern können. Daneben gibt es Rauchstoppprogramme und mit ‹Dia-Fit› ein spezielles Sport- und Bewegungsprogramm für Diabetes-Betroffene.

Facebook
Email
Twitter
LinkedIn