Spoiler
- Wird aufgrund von Brustkrebs oder einem hohen Brustkrebsrisiko eine Mastektomie empfohlen oder ein Teil der Brust entfernt, finden die Operationen zur Entfernung und zum Wiederaufbau heute häufig in einem Eingriff statt. Die Frauen wachen daher mit ihrer neuen Brust wieder aus der Narkose auf.
- Es gibt zwei verschiedene Methoden, mit denen sich die Brüste wieder aufbauen lassen: mit einem Implantat, meist aus Silikon, oder mit Eigengewebe, das an einer anderen Stelle des Körpers entnommen wird.
- Die direkte Rekonstruktion nimmt vielen Frauen die Sorge, ohne Brust leben zu müssen, die Entscheidung für eine Mastektomie wird dadurch erleichtert. Die Brustrekonstruktion bietet die Möglichkeit, das äussere Erscheinungsbild wiederherzustellen und das Selbstbewusstsein zu stärken.
Aufwachen mit einer neuen Brust …
Viele haben die Bilder schon einmal gesehen und müssen bei «Mastektomie» sofort daran denken: die blanke, flache Brust mit Narben an der Stelle, wo vorher die Brüste waren. Mit dieser Vorstellung ist eine Brust-OP zusätzlich erschwerend zur ohnehin schon sehr belastenden Diagnose Krebs. Das ist jedoch überhaupt nicht mehr gängige Praxis: «In der Regel wird direkt eine Brustrekonstruktion vorgenommen, wenn Brustgewebe aufgrund einer Brustkrebsdiagnose oder aus Vorsorgegründen entfernt wird», erklärt Prof. Farhadi. «Nur selten gibt es Gründe, die gegen eine sofortige Rekonstruktion sprechen, ausser natürlich es ist der Wunsch der Patientin. Wenn jemand zusätzliche Nebendiagnosen hat, die eine kurze Operationszeit erfordern, setzen wir vorläufige Implantate (Expander) ein und führen die definitive Brustrekonstruktion später in einem zweiten Eingriff durch». Dank der sofortigen Rekonstruktion wachen die Frauen mit einer neuen Brust auf, was die Entscheidung zur Mastektomie erleichtert. «Das nimmt den Patientinnen viele Sorgen», berichtet der Experte.
Die Brustrekonstruktion ist von mehreren Faktoren beeinflusst
Die Art des Brustkrebses und die genaue Lokalisation haben grossen Einfluss auf den Umfang der Brustrekonstruktion. «Bei Patientinnen mit Brustkrebs müssen wir sorgfältig evaluieren, ob die Brustwarze erhalten werden kann, insbesondere wenn sich der Tumor sehr nah daran befindet. Sollte man die Brustwarze entfernen müssen, können wir diese ebenfalls rekonstruieren, indem wir sie aus der Haut formen. Ist sie abgeheilt, wird der Hof später tätowiert, was zu sehr natürlichen aussehenden Ergebnissen führt», erklärt der Arzt.
Neben Brustkrebspatientinnen operiert er zudem viele Frauen, die aufgrund genetischer Faktoren ein sehr hohes Risiko haben, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken. Dafür ist meist eine Mutation der Gene BRCA 1 oder 2 verantwortlich, oft geläufig als das Angelina-Jolie-Gen. Sie war eine der ersten prominenten Frauen, die offen über ihre Mastektomie zur Reduktion ihres Risikos gesprochen hat. «Bei Frauen, die vorsorglich operiert werden, kann die Brustwarze erhalten bleiben. So sind die Ergebnisse noch natürlicher», sagt Prof. Farhadi.
Es gibt hauptsächlich zwei Formen der Brustrekonstruktion: mit Silikonimplantaten oder mit Eigengewebe. «Weltweit ist der implantatbasierte Aufbau noch immer die häufigste Methode mit etwa 90 Prozent. In unserem Brustzentrum liegt die Verteilung jedoch eher bei 50 zu 50. Da wir die Methode mit Eigengewebe anbieten und viel Erfahrung darin haben, kommen teilweise Patientinnen extra von weiter her zu uns.» Die Patientinnen werden umfassend beraten, welche Methode am besten geeignet ist.
So wird die Brust wiederhergestellt
Der Eingriff beginnt damit, dass eine erfahrene Chirurgin oder ein erfahrener Chirurg einen Teil der Brust oder die gesamte Brustdrüse entfernt. Dies dauert etwa 60 bis 90 Minuten. Oftmals können der Hautmantel und die Brustwarze erhalten bleiben. «Der erste Teil des Eingriffs ist onkologisch und wird von einem anderen Arzt durchgeführt als der Wiederaufbau. Dieser Chirurg entfernt alles aus onkologischer Sicht Notwendige, ohne in einen Interessenkonflikt zugunsten der Ästhetik zu geraten. Sein Hauptfokus liegt dabei auf dem Entfernen der Krebszellen. Der zweite Teil der Operation ist dann die Brustrekonstruktion», erläutert der Experte. «Bei einer Teilentfernung versuchen wir, mit dem verbleibenden Gewebe die Brust zu formen. Von aussen sieht die Brust dann aus, als hätte man eine Brustverkleinerung vorgenommen. Wird die gesamte Brust entfernt, wird sie durch ein Implantat oder Eigengewebe ersetzt.»
Brustrekonstruktion mit Silikonimplantat
Bei einer Brustrekonstruktion mit Implantat wird das entfernte Gewebe durch Silikon ersetzt. Für ein schöneres Ergebnis passiert das häufig in zwei Eingriffen. Warum, erklärt Prof. Farhadi: «Durch das Entfernen des Drüsengewebes wird der Hautmantel strapaziert. Direkt ein grösseres, schwereres Silikonimplantat einzusetzen, würde die Haut zu sehr belasten, denn Silikon ist schwerer als das natürliche Brustgewebe. Daher bereiten wir die Haut zunächst mit einem Platzhalter vor. Das ist ein mit Kochsalz gefülltes Implantat, das schon mal die gleiche Grösse wie das definitive Implantat, aber weniger Gewicht hat.» Der Expander ist schnell platziert und erfordert nur 30 Minuten zusätzliche Operationszeit. Es gibt jedoch Fälle, bei denen aus medizinischen Gründen direkt das finale Implantat eingesetzt werden muss. «Wenn noch eine Bestrahlung ansteht, verwenden wir direkt das definitive Implantat, denn dann bilden sich unter der Bestrahlung weniger Fibrosen. Dann ist die Brust etwas kleiner, um die Haut nicht so zu strapazieren.» Während der Heilung bildet sich um das Implantat herum eine Kapsel aus Bindegewebe. Kommt es zu einer Kapselfibrose, verdickt sich dieses Bindegewebe übermässig und kann Druck auf das Implantat und Schmerzen zur Folge haben. «Eine Kapselfibrose kann nicht nur nach einer Bestrahlung auftreten, sie ist die häufigste Langzeitkomplikation bei Brustimplantaten. Die Brust kann so stark verhärten, dass die Implantate ausgetauscht werden müssen. Das Risiko liegt bei etwa acht bis zehn Prozent», weiss Prof. Farhadi. Nach Abschluss der Brustrekonstruktion sollten die Implantate alle fünf Jahre kontrolliert werden. «Nach 15 Jahren ist die Qualität oft nicht mehr so gut und man sollte sie ersetzen. Wie lange sie genau halten, hängt stark von der Grösse der Implantate ab und wie viel Sport jemand macht, denn beim Sport bewegt sich das Implantat in der Brust und nutzt sich schneller ab.»
Der Wiederaufbau mit Eigengewebe
Wird eine Brustrekonstruktion mit Eigengewebe durchgeführt, wird parallel zur Brustoperation Gewebe aus anderen Körperregionen entnommen, meist aus dem Bauch, aber auch aus dem Gesäss oder den Oberschenkeln. «Dabei handelt es sich um einen gesamten Gewebeblock aus Fett, Blutgefässen und Haut. Nach der Entnahme wird die Haut entfernt und das Gewebe in den Hautmantel der Brust eingesetzt, wo es an die Blutgefässe der Brust angeschlossen wird.» Für eine Eigengewebsverpflanzung muss die Patientin nicht extra zunehmen, meist finden sich geeignete Entnahmestellen. Sehr schlanke Frauen haben in der Regel weniger Brust, sodass nicht so viel Gewebe benötigt wird. «Bei der Eigengewebsrekonstruktion ist die Erholungszeit eher kurz, wenn alles gut läuft. Man kann sich recht früh danach schon wieder aktiv bewegen, während man sich mit Silikonimplantaten noch mehrere Monate schonen muss. Direkt nach der Operation benötigt man jedoch etwas mehr Zeit für die Genesung, da es neben der Brust ja noch eine weitere Wunde an der Entnahmestelle gibt, die auch mal ziehen kann.» Die Narbe der Entnahmestelle wird möglichst dezent gelegt, unter der Bikinilinie von Hüfte zu Hüfte ähnlich wie bei einem Kaiserschnitt oder an den Oberschenkeln in der inneren Falte. Es wird immer darauf geachtet, dass nicht nur die Brüste ein ästhetisch schönes Ergebnis erzielen, auf die langfristige Optik der Entnahmestelle wird gleichermassen geachtet. «Die Zahl der Brustrekonstruktionen mit Eigengewebe ist bei uns so hoch, da wir eigentlich immer eine geeignete Möglichkeit finden und viele verschiedene Varianten anbieten – selbst wenn wir Gewebe aus mehreren Entnahmestellen kombinieren müssen», berichtet der Doktor. Neben den natürlichen Ergebnissen und der schnellen Heilung sprechen zudem die geringen Risiken für eine Eigengewebsrekonstruktion. «Das einzige Risiko besteht in der mikrochirurgischen Versorgung. Es kann zu einer Thrombose, also einem Verschluss eines Blutgefässes, kommen. Das Risiko dafür liegt bei vier Prozent. Meist können wir dies erfolgreich behandeln und den Thrombus auflösen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die gesamte Rekonstruktion erneut durchgeführt werden muss, beträgt lediglich 1,1 Prozent.» Nach dem Eingriff heilt die Brust einfach ab und muss im Gegensatz zu Implantaten nicht erneuert werden.
Bei manchen Patientinnen kommen sogar beide Verfahren zum Einsatz, wenn jungen Frauen beispielsweise zuerst zu Implantaten geraten wird und diese nach zehn Jahren dann durch Eigengewebe ersetzt werden.
Auf was muss man nach der OP und Brustrekonstruktion achten?
«Mit sechs Wochen sollte man immer rechnen, bis man rund 80 Prozent der üblichen Aktivitäten wieder aufnehmen kann. Wer körperlich weniger aktiv ist und beispielsweise einen Bürojob hat, kann oft schon schneller wieder zur Arbeit zurückkehren. Sport und starke Armbewegungen sind in den ersten Wochen auf jeden Fall zu vermeiden», rät der Chefarzt. Die Nachsorge im Anschluss an den Eingriff ist wichtig. Je nach Ausgangslage wird auch wegen des Brustkrebses eine engmaschigere Überwachung empfohlen. Ansonsten heisst es ausruhen und heilen: «Wir schreiben unsere Patientinnen sechs Wochen krank, damit sie sich ausreichend erholen können. Sie erhalten von uns einen Stütz-BH, der während der Heilung dafür sorgt, dass alles an Ort und Stelle bleibt. Zudem haben sich Wollpads bewährt, die den Druck auf die Brust verringern und die Brust warmhalten. Die Wärme unterstützt den Heilungsprozess.»