Spoiler
- Wird Brustkrebs frühzeitig erkannt und behandelt, sind die Heilungschancen höher und es sind weniger belastende Therapien erforderlich.
- Noch immer ist die Mammografie die bevorzugte Methode für die Brustkrebsvorsorge, jedoch kann eine Ergänzung mit künstlicher Intelligenz und Gentests für ein personalisiertes Screening sinnvoll sein.
- Frauen sollten ab 50 bis 75 Jahre im Zweijahresintervall ein Screening machen lassen. Diskutiert wird eine Anpassung nach unten auf 45 Jahre.
- Neben der Genetik spielt der Lebensstil eine Rolle: ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung, kein Übergewicht, nicht rauchen und möglichst wenig Alkohol reduzieren das Risiko.
Herr Dr. Morant, können Sie uns einen Überblick zu den neuesten Erkenntnissen im Bereich Brustkrebsvorsorge geben?
In einer Kooperation mit der Universität St. Gallen konnte die Krebsliga Ostschweiz mit eigenen Daten ihres Programms «donna» zeigen, dass ein bevölkerungsbasiertes qualitätskontrolliertes Mammografiescreening-Programm Brustkrebs in früheren, leichter zu behandelnden Stadien findet. Durch die Früherkennung sind weniger belastende Therapien erforderlich, beispielsweise muss nur halb so oft die ganze Brust entfernt werden, es braucht 30 Prozent weniger Chemotherapien und die Überlebenschancen sind deutlich höher.
Noch immer sind Mammografien für die Brustkrebsvorsorge die am besten geeignete und bewährte Methode, auch wenn sie zugegebenermassen nicht ideal sind. Es kann passieren, dass kleine Tumoren unentdeckt bleiben oder aber dass bei unklaren Befunden weitere Untersuchungen gemacht werden müssen, oft mit dem Ergebnis, dass kein Karzinom gefunden wurde. Das sind dann an sich gute Neuigkeiten, jedoch waren die Patientinnen auf dem Weg dorthin Stress und Ängsten ausgesetzt.
Gibt es noch andere Methoden, die als Alternative zur Mammografie erforscht werden?
Die Tomosynthese ist eine neuere Methode, welche per Röntgenuntersuchung Schichtbildaufnahmen der Brust erstellt. Diese deutlich aufwändigere Methode geht mit einer höheren Strahlenbelastung einher, erlaubt jedoch in einigen Situationen eine exaktere Diagnose. Dennoch sind die Daten nicht so überzeugend, dass man zum jetzigen Zeitpunkt die Mammografie als Screeningmethode ersetzen würde.
Ob die Brustkrebsvorsorge durch künstliche Intelligenz weiter verbessert werden kann, wird aktuell in ausländischen Studien untersucht und auch von uns geprüft. Dafür werden die Computerprogramme mit Tausenden von Mammografien trainiert, sodass sie die Bildgebung eigenständig beurteilen können. Ich denke, der Einsatz von KI kann möglicherweise helfen, Tumoren in noch früheren Stadien zu erkennen, weniger Tumoren zu verpassen und die Programme effizienter zu machen, indem die radiologischen Fachkräfte entlastet werden.
Ein weiterer Ansatz liegt in einer personalisierten Brustkrebsvorsorge. Frauen mit einer hohen Brustdichte haben ein etwas höheres Risiko und könnten von zusätzlichen Untersuchungen profitieren, während Frauen mit einem geringeren Risiko das aktuell übliche Zweijahresintervall verlängern könnten. Es wäre ebenfalls sinnvoll, genetische Tests einzusetzen, die das individuelle Risiko erfassen.
Welchen Einfluss haben diese genetischen Tests?
Es gibt einige Genmutationen, welche das Brustkrebsrisiko stark erhöhen, insbesondere die Gene BRCA 1 und 2, auch bekannt als das Angelina-Jolie-Gen. Für Frauen mit dieser Genmutation muss die Brustkrebsvorsorge individuell besprochen werden, denn man sollte deutlich früher und intensiver screenen und verschiedene Methoden in Kombination anwenden. Daneben gibt es eine Vielzahl von Genen, die alleinstehend das Risiko nur wenig beeinflussen, doch in ungünstigen Kombinationen eine Rolle spielen können. Im Moment wird der Nutzen von solchen kombinierten Genanalysen (Polygenic Risk Score = PRS) studiert und künftig Einfluss auf die Vorsorgeprozesse nehmen.
Wie wichtig ist das regelmässige Screening für die Brustkrebsvorsorge?
Verschiedene Studien konnten zeigen, dass das regelmässige Brustscreening sehr wichtig ist. Werden die Abstände länger oder fallen Untersuchungen aus, können sich in der Zwischenzeit Tumoren entwickeln, die bei der Diagnose dann bereits grösser sind, als wenn man regulär zum Screening gegangen wäre.
Hat sich an der Häufigkeit und Altersempfehlung, mit denen Frauen zur Vorsorge gehen sollten, etwas geändert?
In unseren und auch vielen anderen Programmen erhalten Frauen ab dem 50. und bis zum 75. Lebensjahr alle zwei Jahre eine Einladung zur Mammografie. Es gibt Programme, die kürzere oder längere Intervalle haben. Durch kürzere Intervalle werden mehr Tumoren in früheren Stadien erfasst, allerdings bedeuten diese eine höhere Belastung für die Patientinnen. Zudem gibt es Diskussionen, generell früher mit den Untersuchungen schon ab dem 45. Lebensjahr zu starten.
Welche Risikofaktoren sollten Frauen besonders beachten? Kann man das persönliche Risiko minimieren?
Neben der Genetik kann ein gesunder Lebensstil dazu beitragen, das Risiko zu mindern. Die Vorteile von ausreichend Bewegung und einer gesunden Ernährung mit wenig rotem und verarbeitetem Fleisch, dafür aber mehr Fisch und viel Gemüse und frischen Früchten konnten bereits belegt werden. Ausserdem sollten Übergewicht, Rauchen und Alkohol vermieden werden. Diese Faktoren bestätigen sich auch in neueren Arbeiten immer wieder. Diese fanden beispielsweise heraus, dass sich nicht nur der häufige und starke Alkoholgenuss auswirkt, sondern bereits kleinere Dosen das Risiko leicht erhöhen können. Ein allgemein gesunder Lebensstil, der Genussmittel nur in Massen vorsieht, ist nicht nur für die Krebsvorsorge empfehlenswert und kann vielen weiteren Erkrankungen vorbeugen.
Vielen Dank für das Gespräch.