Prof. Salzberg, was genau passiert bei Vorhofflimmern im Herzen?
Normalerweise wird der Herzrhythmus regelmässig über ein elektrisches Reizleitsystem – wie elektrische Kabel im Herzinneren – von Vorhof in die Kammer weitergeleitet, sodass sich das Herz zusammenzieht und das Blut pumpt. Beim Vorhofflimmern sind die Vorhöfe und Kammern nicht mehr aufeinander abgestimmt, im Vorhof herrscht Chaos und der Puls kommt nur noch vom Ventrikel. Dadurch nimmt die Pumpleistung ab, weniger Blut gelangt in den Körper und der Puls ist unregelmässig.
Wir unterscheiden in vier Arten des Vorhofflimmerns:
Es kann einmalig auftreten, verursacht durch Faktoren wie Stress, Alkoholkonsum, Bluthochdruck, eine Infektion oder eine Herzerkrankung.
Beim paroxysmalen Vorhofflimmern tritt die Störung immer wieder anfallsartig auf, viele Betroffene fühlen sich davon gestört. Die Anfälle werden häufiger und länger, hören nach ein paar Minuten, Stunden oder auch Tagen jedoch spontan auf.
Geht das Vorhofflimmern nach sieben Tagen nicht mehr von selbst weg, ist es persistierend. Dann kann das Herz mit elektrischen Impulsen von aussen wieder in den normalen Rhythmus zurückgebracht werden.
Beim permanenten Vorhofflimmern kann der Rhythmus nicht wiederhergestellt werden, man versucht durch die Behandlung jedoch zu erreichen, dass die Herzfrequenz nicht mehr als 90 Schläge pro Minute im Durchschnitt beträgt.
Welche typischen Symptome treten bei Vorhofflimmern auf – spürt man das überhaupt immer?
Ein Drittel der Patientinnen und Patienten bemerkt gar nicht, dass bei ihnen ein Vorhofflimmern besteht. Das macht diese Störung auch so tückisch, denn es können Komplikationen wie ein Schlaganfall oder eine Herzmuskelschwäche daraus resultieren. Bei manchen Betroffenen bemerkt man es dann, wenn sie mit einem Schlaganfall in die Notaufnahme kommen. Ansonsten zeigt sich Vorhofflimmern in ganz unterschiedlichen Symptomen: Herzstolpern, Herzrasen, innere Unruhe, Atemnot, Schwäche und Antriebslosigkeit. Spürt man eines dieser Anzeichen zusammen mit einem unregelmässigen Puls, sollte man sich direkt untersuchen lassen. Oftmals wird die Rhythmusstörung auch sehr zuverlässig über die Apple Watch und andere Smart Devices mit entsprechender Funktion erkannt. Fast alle Pulsuhren können einen unregelmässigen Puls erfassen. Wir bekommen sogar die EKGs der Apple Wacht von Patientinnen und Patienten zugeschickt und können diese dann einordnen, das ist sehr hilfreich.
Wie wird Vorhofflimmern diagnostiziert?
Ein EKG (Elektrokardiogramm) ist nur eine Momentaufnahme vor Ort, die Chancen das Vorhofflimmern genau in diesem Moment zu erwischen, sind sehr klein. Daher machen wir ein Langzeit-EKG von 24 bis zu 72 Stunden oder sogar über 30 Tage. Sollte die Störung dennoch nicht erfassbar sein, gibt es einen Implantierbaren Loop Recorder (ILR), einen kleinen Monitor, welcher bis zu vier Jahre lang das EKG aufzeichnen kann. Die Patientin oder der Patient kann dann selbst bei Symptomen eine Aufzeichnung starten. Wer eine Apple Watch trägt, sollte bei Anzeichen an der Uhr direkt ein EKG starten und den Verlauf tracken.
Welche Risikofaktoren begünstigen Vorhofflimmern am Herzen?
Bei 30 Prozent der Fälle sind die Ursachen unbekannt. Der Rest lässt sich meist auf Bluthochdruck, Schlafapnoe, Schlafmangel, Stress, Alkoholkonsum, Partydrogen, Übergewicht, Schilddrüsenüberfunktion oder eine Herzklappenerkrankung zurückführen. Daneben gibt es noch Formen, welche vererbbar sind.
Mit welchen gesundheitlichen Risiken und Folgen geht Vorhofflimmern einher?
Die Folgen von Vorhofflimmern sind Herzinfarkte, Schlaganfälle und andere thromboembolische Ereignisse, also der Verschluss eines Blutgefässes, wie beispielsweise ein Niereninfarkt. Eine mögliche Folgeerkrankung für den Herzmuskel ist die Herzinsuffizienz, da das Herz zu schnell schlägt und entsprechend auf Dauer ermüdet. Diese Schäden sind leider auch irreversibel. Darüber hinaus zeigt sich eine erhöhte Quote für frühzeitige Demenz, weil durch die Puls- und Blutdruckschwankungen Mikroembolien im Gehirn entstehen, dieses wird dann nicht mehr optimal durchblutet.
Manche der Folgen werden lebensbedrohlich, hat man aufgrund von Vorhofflimmern einen Herzinfarkt, ist das natürlich ein Notfall. Junge Patientinnen und Patienten müssen aber nicht direkt Angst bekommen, bei ihnen ist es sehr wahrscheinlich nicht lebensbedrohlich, wenn die Uhr beispielsweise bei einem Infekt ein Vorhofflimmern meldet.
Wie wird die Rhythmusstörung medikamentös behandelt?
Hauptsächlich zielen wir auf zwei Faktoren: Zum einen wollen wir einen Hirnschlag und andere Gefässverschlüsse verhindern, daher geben wir Blutverdünner. Zum anderen geht es darum, den korrekten Herzrhythmus wiederherzustellen oder die Herzfrequenz zu bremsen.
Es gibt auch noch weitere Verfahren, um bei Vorhofflimmern das Herz wieder in den Takt zu bringen …
Wir können bei einem akuten Vorhofflimmern den Rhythmus mit Strom wiederherstellen. Diese kontrollierte Stromabgabe ans Herz funktioniert wie ein Reset am Computer.
Langfristig effektiver als Medikamente ist die Katheterablation und daher das Mittel der ersten Wahl. Dabei wird man das Gewebe im Herzinneren veröden, welches das Vorhofflimmern auslöst. Dafür wird ein kleiner Katheter in die Leistenvene eingeführt und bis zum Vorhof vorgeschoben, um dort mittels Hitze (Ablation mit hochfrequentem Strom (PFA) oder Radiofrequenz (RF)) oder Kälte (Kryoballon-Ablation) die verantwortlichen Bereiche zu veröden. Diese Therapie hat insbesondere bei jungen Patienten eine gute Erfolgsbilanz von über 90 Prozent. Da bereits nach kurzer Zeit mit Vorhofflimmern das Herz Schaden in Form von Fibrosen nimmt, ist es so wichtig, so schnell wie möglich nach der Diagnose eine Ablation zu machen.
Nur wenn eine Ablation nicht erfolgreich oder empfohlen ist, kommt die chirurgische Ablation zum Tragen. Das ist eine etwas invasivere Möglichkeit das Problem zu beheben, und führt oft auch dazu, dass Patienten dann keinen Blutverdünner einnehmen müssen. Schlussendlich kann ein Herzschrittmacher implantiert werden, um Abhilfe zu schaffen. Dieser ist wie ein Taktgeber, der bei Bedarf elektrische Impulse ans Herz abgeben kann. Vielen Betroffenen geht es damit sehr gut und sie berichten von einem neuen Leben nach dem Aufwachen aus der OP, das ist also keineswegs ein Todesurteil, wie es sich für viele erst einmal anfühlt, im Gegenteil.
Gibt es alternative Behandlungsansätze, etwa durch Lebensstiländerungen?
Die Therapie einer vorliegenden Schlafapnoe und eine gesunde Lebensweise könne Vorhofflimmern und andere Herzerkrankungen immer verbessern. Gerade im Frühstadium der Erkrankung lässt sich diese durch Ernährung, Bewegung und Stressmanagement noch beeinflussen. Eine Studie hat zum Beispiel gezeigt, dass Yoga das Auftreten von Vorhofflimmern verhindern kann. Nach einer erfolgten Ablation können ausserdem die Resultate dadurch gefestigt werden, um langfristig gute Ergebnisse zu erzielen. Grundsätzlich sollte man da immer ganzheitlich denken. Die Psyche spielt eine enorm grosse Rolle, insbesondere bei jungen Patientinnen und Patienten – Stichwort Stress. Daher sind Bewältigungsstrategien wichtig.