Der Reizdarm: Symptome, Ursachen und was Betroffene tun können

Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall – das Reizdarmsyndrom hat viele Gesichter

Reizdarm Symptome: Frau liegt auf dem Sofa und hält sich den schmerzenden Bauch.

Spoiler

  • Beim Reizdarmsyndrom (RDS) ist der Darm in seiner Funktion gestört.
  • Für den Reizdarm typische Symptome sind Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall oder Verstopfung. Diese können dauerhaft oder episodisch auftreten.
  • Die Ursachen werden noch erforscht, man vermutet jedoch unter anderem Infektionen als Auslöser, eine gestörte Kommunikation zwischen dem Gehirn und Darm sowie ein verändertes Mikrobiom.
  • Die Diagnose erfolgt per Ausschlussverfahren, wenn keine chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten nachgewiesen werden können.
Prof. Vavricka, was versteht man unter dem Reizdarmsyndrom?

Das Reizdarmsyndrom ist eine der häufigsten Krankheiten des Magen-Darm-Traktes. Es handelt sich um eine funktionelle Störung des Darms, der keine organische Probleme wie Tumoren oder Entzündungen zugrunde liegen. Patientinnen und Patienten klagen immer wieder über Beschwerden, die episodisch wiederkehren. 

Was sind für den Reizdarm typische Symptome?

Zu den Beschwerden gehören wiederkehrende Bauchschmerzen, Blähungen, Völlegefühl und Veränderungen des Stuhlgangs. Das kann Durchfall sein, aber auch Verstopfung, also eine veränderte Stuhlkonsistenz. Die Schmerzen treten meist in Zusammenhang mit dem Stuhlgang auf, oft werden sie durch den Stuhlgang dann besser. Auch über den Verdauungstrakt hinaus verursacht der Reizdarm Symptome: Müdigkeit, Schlafstörungen, unspezifische Muskelschmerzen, die beispielsweise nicht auf einen Muskelkater zurückzuführen sind. Die Beschwerden haben keinen bestimmten Auslöser und treten recht unvorhersehbar auf. Während es bei manchen Betroffenen ein Dauerzustand ist, berichten andere von Schüben.

Wie häufig ist RDS und wer ist besonders betroffen?

Wir sehen es gehäuft bei Frauen, doppelt so oft wie bei Männern. Es kann in jedem Alter auftreten, dennoch sind es meistens Frauen zwischen 20 und 30 Jahren. Die Schätzungen, wie viele Menschen betroffen sind, gehen sehr weit auseinander, bis zu zehn Prozent der Menschen können demnach am Reizdarm erkranken. Unserer Erfahrung nach halte ich vier Prozent für plausibel. 

Was sind die Ursachen? 

Wir kennen den postinfektiösen Reizdarm als Folge einer Magenschleimhautentzündung zum Beispiel, dieser ist recht häufig. Befragt man die Patientin oder den Patienten stellt sich oft heraus, dass es zuvor eine Infektion gab. Darüber hinaus gibt es mehrere Theorien zu den Ursachen wie eine Überreaktion des darmspezifischen Systems, eine Fehlkommunikation zwischen Darm und Hirn. Eine gestörte Transportfunktion im Darm könnte ebenfalls beitragen. Die Psyche kann beim Reizdarm die Symptome verstärken, eventuell ist die Entstehung psychosomatisch. Infrage kommen zudem Mikroentzündungen im Darm, die sich nicht direkt nachweisen lassen. Viel diskutiert wird eine gestörtes Mikrobiom als möglicher Faktor, wir stellen bei Patientinnen und Patienten oft weniger Vielfalt in der Zusammensetzung ihrer Darmflora fest.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Verständnis für den Reizdarm und seine Ursachen stark verändert. Während man in den 40er-Jahren noch dachte, dass es eine psychische Krankheit ist, entwickelte sich um die 2000er herum die Idee mit der Hirn-Darm-Kommunikation. Dann stand das Mikrobiom im Fokus und jetzt forscht man an einer möglichen Hypermobilität des Darms. 

Auch sehr interessant ist der Faktor, dass man den Reizdarm erlernen kann. Hat in der Partnerschaft eine Partei RDS, kann die andere es mitentwickeln. Oder wenn eine Mutter einen Reizdarm hat, können Kinder das ebenfalls ausbilden. Das liegt vermutlich daran, dass es diesen Personen vorgelebt wird und man sich ständig mit dem Darm beschäftigt. Die erhöhte Aufmerksamkeit auf das Thema Reizdarm im Alltag sorgt dafür, dass Symptome vermehrt wahrgenommen werden.

Wie wird das Reizdarmsyndrom diagnostiziert?

RDS ist gerade deshalb so schwierig zu diagnostizieren, weil es eine Ausschlussdiagnose ist. Das heisst, dass erst alles andere getestet werden muss und nur wenn es nicht zu einer anderen Diagnose kommt, gilt das Syndrom als bestätigt. Zuerst wird man chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ausschliessen. Viele Betroffene laufen lange unter der Diagnose Reizdarm und dann stellt sich heraus, dass es Zöliakie, eine Glutenunverträglichkeit, ist. Deshalb muss auch darauf getestet werden. Beim Reizdarm gibt es eben keine bestimmten Nahrungsmittel, die dann die Symptome sicher auslösen, wie das bei Gluten oder anderen Nahrungsmittelunverträglichkeiten der Fall ist. 

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Viele Patientinnen und Patienten reagieren sehr positiv auf die sogenannte FODMAP-Diät. Dabei werden die Kohlenhydrate und Zuckeralkohole in der Ernährung reduziert und festgestellt, wie viel davon konsumiert werden kann, ohne dass der Reizdarm Symptome verursacht. Um im Darm direkt Einfluss zu nehmen, können mehr Ballaststoffe gegessen werden, die die Verdauung erleichtern. Ausreichend Bewegung ist sehr wichtig. Gegen die Beschwerden helfen Laxativa, die bei Verstopfung den Stuhl weicher machen, oder Medikamente und Naturstoffe, die dem Durchfall entgegenwirken. Die Gabe von Probiotika ist nicht nur symptomatisch, sondern wirkt sich aktiv auf das Mikrobiom als möglicher Verursacher aus. In einer dritten Stufe der Behandlung nimmt man Einfluss auf das zentrale Nervensystem. Mit tief dosierten Antidepressiva lässt sich das Schmerzempfinden lindern. Hinzu kommen dann noch zentrale Therapieansätze mit kognitiver Verhaltenstherapie und Mind-Body-Medizin zur Stressreduktion, für mehr Achtsamkeit und Entspannung. Stress ist zwar nicht, obwohl lange vermutet, der Auslöser der Krankheit selbst, kann aber sehr wohl einen Schub auslösen; daher die Mind-Body-Therapiekonzepte.

Haben Sie Empfehlungen für den Alltag, wie Reizdarm-Betroffene besser mit ihren Symptomen umgehen oder sogar vorbeugen können?

Bei der Ernährung empfehle ich FODMAP, zuckerarm, Pro- und Präbiotika und nicht einfach nur ballaststoffreich, sondern ausgewogen zu essen. Bewegung ist immer günstig, da es die Darmtätigkeit anregt und das psychische Wohlbefinden verbessert. Ausserdem kann man jegliche Formen an Entspannungsübungen gut eigenständig machen, seien es Yoga, Hypnose, Achtsamkeitsübungen, Meditation – sofern sie einem liegen.

Facebook
Email
Twitter
LinkedIn