Spoiler
- Wir sind keine Krisen gewohnt, deshalb machen wir vieles falsch: Wir hamstern, informieren uns zu sehr und bestätigen gegenseitig unsere Vorahnungen.
- Um die Psyche zu entlasten, empfiehlt es sich, Aktionismus sinnvoll zu leiten und Zerstreuung zu suchen.
- Weil sich das soziale Umfeld verkleinert, zählt ein achtsamer Umgang miteinander umso mehr.
Das Coronavirus stellt uns vor eine grosse Herausforderung. Auf unserer sozialen und wirtschaftlichen ‹Insel der Seligen› haben wir kaum Erfahrungen mit Krisen. Und besonders verunsichert ein kaum bekannter Gegner, der sich unbemerkt ausbreitet. Wir haben nicht gelernt, auch im Krisenmodus einen kühlen Kopf zu bewahren, und tun stattdessen genau das, was uns das Leben in der Krise noch schwerer macht. Kurz: Corona und die Psyche sind ein fatales Duo.
Toilettenpapier schützt nicht vor Corona
Die Hamsterkäufe in Supermärkten und Drogerien zeigen einen letztlich unsinnigen Aktionismus: Die Versorgungslage ist trotz Corona abgesichert. Und Toilettenpapier schützt nicht vor einer Infektion mit dem neuen Virus. Trotzdem ist es für viele Menschen beruhigender, kopflos zu handeln – etwa Konservendosen zu horten – als den ungewohnten Moment der Unsicherheit zu ertragen.
Gerade der Versuch, die Kontrolle über die ungewohnte Situation zu behalten, erweist sich jedoch oft als kontraproduktiv. Stichwort Hamsterkauf: Einmal damit angefangen, fällt bald auf, dass eigentlich immer irgendetwas nicht auf Lager ist, sei es Zahnpasta oder Küchensalz. Hier entspinnt sich oft ein Teufelskreis – und der stresst und belastet.
Corona und die Psyche: Zahlenspiele
Zahlen können Orientierung geben, wenn sie feststehend sind. Sie geben diffusen Gefühlen eine wissenschaftliche, allgemeingültige Konstante. Umgekehrt können sie aber auch verunsichern, etwa wenn sie sich permanent verändern wie sie Zahl der Neuinfektionen. Oder wenn sich bestimmte Grössen wie die Sterberate von COVID-19 überhaupt nicht präzise in einer Zahl ausdrücken lassen.
Zahlen bringen komplexe Ereignisse auf den Punkt. Trotzdem lassen sie sich nicht losgelöst deuten. Wer beispielsweise ständig auf die Zahlen der Neuinfektionen schaut, bemerkt zwar ihren Anstieg, übersieht aber oft, dass in China die Zahl der Infizierten bereits sinkt. Zugleich signalisiert diese Zahl zwar das internationale Ausmass der Pandemie, über dein persönliches Infektionsrisiko sagt sie aber nichts aus.
Taiwan ist kein Schweizer Kanton
Auch die Gier nach Nachrichten und der ständige Austausch mit Freunden können instinktive Strategien sein, der eigenen Verunsicherung Herr zu werden. Doch Neuigkeiten sind nicht immer verlässlich: Gerade online und über Messenger ziehen viele Halbwahrheiten und Gerüchte schnell weite Kreise.
Dabei sind nicht alle Informationen wirklich relevant. Wie etwa Taiwan die Corona-Krise meistert, liest sich vielleicht spannend, hat aber kaum Auswirkungen auf den Alltag Schweizer Arbeitnehmer, die mit Homeoffice und Homeschooling zu kämpfen haben.
Corona und die Psyche: sozialer Austausch
Ein Gespräch über das Coronavirus stärkt sicher das Bewusstsein, dass wir irgendwie alle im selben Boot sitzen. Immerhin kann Zustimmung die eigene Meinung bekräftigen. Aber wer (nahezu) ausschliesslich über Corona spricht und postet, beschränkt seine Gedanken schnell auf dieses eine Thema.
Das gilt vor allem in der Corona-Krise: Da Veranstaltungen abgesagt und Parks, Geschäfte und Restaurants geschlossen sind, finden keine zufälligen Begegnungen mehr statt. Das Social Distancing führt dazu, dass wir meist nur noch zu bekannten Personen Kontakt halten, oft nur indirekt über Telefon und Internet. Wenn die gleichen Gesichter immer nur das gleiche Thema besprechen, verstärkt sich die soziale Isolation nur noch.
Tipps gegen das Schwarzmalen
Um in der Corona-Krise besonnen zu bleiben, empfehlen sich ein paar einfache Strategien.
- Aktionismus umlenken. Natürlich kannst du etwas gegen das Coronavirus unternehmen. Handhygiene, Abstand halten – klar. Wenn du noch mehr tun möchtest, biete Nachbarn an, auf Kinder aufzupassen, für sie einzukaufen oder musiziere auf dem Balkon, um Passanten aufzumuntern (lustige Idee aus Italien).
- Nachrichten filtern. Wähle die Portale und Sendungen bewusst aus, über die du dich informieren möchtest. Gib dir ein festes Zeitfenster, in dem du dich auf den neuesten Stand bringst. Dosiere vor allem die TV-Nachrichten, denn Bilder (etwa von leeren Supermarktregalen) wirken stärker als Texte.
- Gefühle steuern. Suche nicht den Austausch mit Menschen, die deine Ängste teilen oder verstärken, sondern halte Kontakt zu relaxten Leuten und lass dich von ihrer Gelassenheit anstecken.
- Beziehungen gestalten. Wenn dein soziales Umfeld aufgrund des Versammlungsverbots in der Corona-Krise schrumpft, ist es umso wichtiger, es nach deinen Bedürfnissen zu gestalten. Sprich deine Wünsche offen an (z. B. dass die Grosseltern zweimal in der Woche am Telefon den Kindern eine Geschichte vorlesen). Vermeide aber den grossen Streit, wenn deinen Partner mal der Lagerkoller packt.
- Positives einplanen. Lies ein Buch, zeichne, mache Yoga, räume den Schrank auf oder entdecke die mediterrane Küche. Was immer dir Spass macht, kann jetzt ein optimaler emotionaler Ausgleich sein. Ganz wichtig: Abends kein Corona-Update vorm Schlafengehen. Lieber einen Film schauen, der dir gefällt.