Bipolare Störung: Erfahrung von Christine Heim

Ein Erlebnisbericht: ein Schritt vor, zwei zurück

Bipolare Störung Erfahrung: Winterliche Landschaft in der Dämmerung

Wer an einer bipolaren Störung leidet, macht Erfahrungen, die von denen anderer Menschen abweichen. Für die Betroffenen sind Behaglichkeit und Wärme nur nebensächlich. Eher die Dunkelheit und der Nebel. Gerade der Nebel, der für viele schier unerträglich ist. In dieser Hinsicht habe ich Glück. Zwar leide auch ich an einer bipolaren Störung, aber die Erfahrung zeigt, dass mich der Nebel nicht schreckt, ich finde ihn sogar ganz angenehm.

Bipolare Störung: Erfahrung der Krankheit kann sehr unterschiedlich ausfallen

Daran wird deutlich, wie unterschiedlich sich diese Krankheit zeigt. Mit einer bipolaren Störung macht jeder eine andere Erfahrung. Diese können sogar extrem unterschiedlich ausfallen, aber das liegt wohl in der Natur der Sache. Denn die beiden Pole, welche die bipolaren Störungen definieren, könnten extremer kaum sein. Von der Manie zur Depression, von Euphorie zur Schwermut – und zurück.

So geht das jetzt schon den Grossteil meines Lebens. Und auch da in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. In meiner Kindheit durfte ich mir oft anhören, zu heftig zu sein. Und das war ich auch. Ich war sehr schnell gereizt, bin schon bei Kleinigkeiten hoch gegangen. Ich fühlte mich einfach ständig überfordert.

Meine Kindheit war dadurch nicht einfach und auch davon abgesehen stimmte damals vieles nicht. Aber ich hatte auch Glück. Wenn man das Glück nennen kann. Depression war nämlich in meiner Familie nicht unbekannt und auch ich hatte die genetische Anfälligkeit geerbt. Das allein ist sicher kein glücklicher Umstand, aber es ermöglichte mir, meine Krankheit früh zu erkennen. Und mich um Hilfe zu bemühen.

Bipolare Störung und Depression: frühe Hilfe ist wichtig

Mit ärztlicher Hilfe habe ich es im Laufe meines Lebens geschafft, mich mit der Krankheit zu arrangieren. Und mehr als ein Arrangement ist es tatsächlich nicht, das man mit der bipolaren Störung trifft. Die Erfahrung hat mir gelehrt,  Stress zu vermeiden. Stress wirkt nämlich als Auslöser. Und zwar als Auslöser für beides, sowohl die Manie als auch die Depression. Die Manie, also die euphorischen Phasen, zeigt sich bei mir beispielsweise durch unüberlegte Einkäufe. Wobei es das Wort unüberlegt gar nicht so recht trifft. Denn diese Einkäufe waren sehr wohl überlegt und schienen mir auch stets äusserst sinnvoll. Erst wenn die manischen Phasen vorbei waren, konnte ich rückblickend erkennen, dass es vielleicht doch nicht so sinnvoll war, wie ich dachte. Aber es fühlte sich richtig an und diese Differenz zwischen Fühlen und Wissen tritt auch in den depressiven Phasen auf.

Heute weiss ich, dass die Phasen der Schwermut vorbei gehen, aber dies zu lernen und das Gefühl, es ginge nie vorbei, zu überwinden, war ein langer Weg. Und auch heute kostet mich die Besinnung auf dieses Wissen noch immer sehr viel Kraft. Geholfen haben mir dabei die Therapiesitzungen. Das Wichtigste dabei: Mein Arzt versteht mich. Allein die Tatsache, dass ich mit einem Menschen reden kann, der weiss, wie es in mir aussieht und der nicht mit Unverständnis reagiert, ist eine enorme Befreiung. Mit einer bipolaren Störung muss jeder eigene Erfahrungen machen, aber es hilft, sich darüber austauschen zu können.

Und doch ist es selbst für einen Fachmann nicht immer einfach, meinen jeweiligen Zustand zu erkennen. Denn es ist nicht so, dass auf eine Manie unmittelbar die Depression folgt und umgekehrt. Es gibt noch eine Zwischenphase, die Hypomanie. Wenn man sich das emotionale Auf und Ab wie den Weg vom Tal rauf auf den Gipfel vorstellt, dann wäre die Hypomanie der Zeitpunkt, bei dem man praktisch auf Meereshöhe ist. Man wirkt also ausgeglichen und selbst Fachleute könnten glauben, man sei geheilt. Aber da es sich um einen Prozess handelt, ist man stattdessen eher auf dem Weg nach oben, die nächste manische Phase also nur eine Frage der Zeit.

Vorsichtiger Umgang mit Medikamenten

Vor allem ist es schwer, weil man vielleicht auch selbst glaubt, die Krankheit endlich überwunden zu haben. Und sieht sich plötzlich eines Besseren belehrt. Und da die negativen Emotionen in der nächsten depressiven Phase so intensiv sind, glaubt man, alles sei noch schlimmer als zuvor. Dieses Gefühl, einen Schritt nach vorne und dann gleich zwei zurück gemacht zu haben, lässt einen verzweifeln. Das ändert sich leider auch nicht, wenn man mit der bipolaren Störung schon lange Erfahrung hat.

Laien glauben häufig, solche Zustände könnten mit Medikamenten, also Antidepressiva oder Lithium behoben werden. Aber wirklich heilen können sie nicht. Bei depressiven Menschen ist die Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn gestört, Medikamente regulieren dies wieder. Aber die Emotionen selbst werden durch die medikamentöse Behandlung nicht verändert. Daher muss auch stark vor Eigenmedikation und Überdosierung gewarnt werden.

Abschliessend möchte ich noch alle Menschen aufrufen, die glauben an einer Depression zu leiden, schnell Hilfe zu suchen. Neben Ärzten bieten auch Selbsthilfegruppen diese Hilfe an und hier ist die Scheu zuzugeben, dass man krank ist, vielleicht nicht so gross.

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