Besserer Schlaf ist reine Übungssache

Ein Gespräch mit Prof. Zulley über ruhiger Nächte

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Sie beschäftigen sich seit über 40 Jahren intensiv mit dem Schlaf. Woher kommt Ihr grosses Interesse?

Bevor ich Psychologie studierte, war ich Elektroingenieur. Während des Studiums jobbte ich dann im Schlaflabor des Max-Planck-Instituts in München. Dort wurde mir schnell klar: Die Messung von Schlaf ist reinste Elektrotechnik. Doch von der hatten die Ärzte und Forscher dort wenig Ahnung. Ich konnte mein Wissen als Ingenieur prima einbringen und habe so viel Bestätigung bekommen. Es hat mich auch fasziniert, dass so vieles rund um den Schlaf noch so unklar war.

Gibt es neue Erkenntnisse aus der Schlafforschung?

Es gibt neues Wissen darüber, wie wichtig der Tiefschlaf ist. Lange hat man angenommen, dass sich während des Tiefschlafs im Gehirn nicht viel tut. Jetzt weiss man, wie wichtig diese Phase für das Gedächtnis und für die Verarbeitung von Erlebtem ist. Auch im Tiefschlaf speichert unser Gehirn am Tag Wahrgenommenes und löscht Inhalte, die nicht mehr gebraucht werden.

Dann ist es also ungesund, wenn wir nicht in die Tiefschlafphase kommen?

Ja, es ist die Phase, in der der Körper am stärksten regeneriert. Tiefschlaf ist unter anderem wichtig für sämtliche Immunfunktionen und für die Zellerneuerung.

Schlafstörungen kommen vor allem in der westlichen Welt vor. Ist unser Lebensstil schuld?

Grundsätzlich ja. Allerdings ist Schlaflosigkeit kein neues Phänomen. Goethe und Schiller haben sich bereits ausführlich über ihre Schlafprobleme ausgetauscht. Die Hauptursache von Schlafstörungen ist Anspannung. Und der Königsweg zu besserem Schlaf ist Entspannung. Und hier kommt unser Lebensstil ins Spiel: Wir haben verlernt, eine klare Trennlinie zu ziehen zwischen Tag und Nacht, zwischen Aktivität und Ruhe.

Was hilft am besten gegen Schlafstörungen?

Eine Schlafkultur zu entwickeln und seine Verhaltensweisen zu ändern. Ich empfehle, sich einen Tagesplan zu überlegen: Darin kann man mit sich selbst vereinbaren, dass ab 20 Uhr keine E-Mails und kein Facebook mehr abgerufen und das Fernsehen reduziert wird. Stattdessen sollten wir die Dämmerung, die Zeit zwischen Tag und Nacht, für Dinge nutzen, die Entspannung zulassen.

Viele Menschen nehmen auch den falschen Partner mit ins Bett, nämlich ihre Probleme. Menschen, die in der Nacht grübeln, hilft es, vor dem Zubettgehen kurz die Gedanken und Sorgen aufzuschreiben. Was einmal niedergeschrieben ist, muss den Geist nicht mehr beschäftigen.

Ebenso wichtig ist es, tagsüber mehr Pausen einzulegen: eine wirklich entspannte Mittagspause, ein Mittagsschlaf von bis zu 30 Minuten oder ein ausgiebiger Spaziergang.

Wieso tagsüber?

Mit «Anspannung» als wesentliche Ursache für Schlafstörungen meine ich eine Überaktivität des Sympathikus. Das ist der aktive Teil unseres vegetativen Nervensystems. Wir Schlafmediziner sprechen vom sogenannten «Hyperarousal», einer Übererregung des Nervensystems als Erklärung von Ein- und Durchschlafstörungen.

Um das Nervensystem ins Gleichgewicht zu bringen, müssen wir auch tagsüber mehr Phasen einbauen, in denen der parasympathische Teil, der Ruhe-Modus, angesprochen wird. Es ist unmöglich, den ganzen Tag bis spät abends durchzupowern und dann auf Knopfdruck in den Schlaf zu wollen.

Und was hilft, wenn wir nachts wachliegen?

Das Problem ist gar nicht das nächtliche Aufwachen, sondern das Nicht-wieder-einschlafen-können. Es ist normal, circa 28 Mal pro Nacht wach zu werden. Das tun auch gute Schläfer, nur erinnern sie sich am Morgen nicht daran. Wer nachts aufwacht, sollte sich vor allem nicht ärgern, sondern sich sagen: «Wenn ich ruhig und gelassen bleibe, schlafe ich bald wieder ein.»

Viele klagen über kreisende Gedanken in der Nacht. Wir können nicht nicht denken. Aber wir können unsere Gedanken bewusst lenken. Nachts am besten auf etwas Monotones, Positives. Manchen helfen Traumreisen, anderen ruhige Musik.

Und wenn trotzdem kein Schlaf in Sicht ist?

Dann sollte man aufstehen und etwas tun, was einen zur Ruhe bringt. Ich habe hierzu eine grosse Gruppe an Schlafpatienten gefragt, was ihnen hilft. Viele Frauen sagten, bügeln. Dass ist sicher nicht für jeden etwas. Anderen hilft es, aufzuräumen oder einen seichten Roman zu lesen. Das lenkt die Gedanken auf die Handlung und weg von Grübeleien.

Schlafen Sie selbst manchmal schlecht?

Natürlich. Wie jeder. Menschen, die sagen, sie schlafen durch, vergessen nur, dass sie wach waren. Was mir hilft, wenn ich nachts wach liege, ist ruhige, klassische Musik. Mein Favorit ist das Requiem von Fauré. Ich besitze eins dieser Kopfkissen, die einen eingebauten Lautsprecher haben und leise Musik direkt ins Ohr spielen. Das stört nicht mal schlafende Partner.

Vielen Dank für das Gespräch!
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