Spoiler
- Eine Nierenbeckenentzündung entsteht, wenn Bakterien in die Harnwege gelangen und eine Blasenentzündung verursachen. Steigen die Erreger weiter auf in die Nieren, kann sich die Schleimhaut des Nierenbeckens ebenfalls entzünden.
- Bei jungen Kindern können typische Anzeichen einer Harnwegsinfektion wie Brennen beim Wasserlassen oder Schmerzen in der Flanke fehlen. Die Infektion kann sich lediglich als Fieber ohne erkennbare Ursache zeigen.
- Entleerungsstörungen der Blase, eine Verstopfung oder angeborene Fehlbildungen der Harnwege können eine Nierenbeckenentzündung begünstigen.
- Nicht in jedem Fall von Bakterien im Urin handelt es sich um eine echte Harnwegsinfektion.
- Die Harnwegsinfektion muss mit Antibiotika behandelt werden.
Harnwegsinfektionen bei Kindern sind keine Seltenheit. «Die Bakterien, die eine solche Entzündung auslösen, befinden sich auf der Haut im Bereich des Anus und der Harnröhrenöffnung und können leicht in die Blase gelangen», so die Medizinerin. Unter normalen Umständen werden die Bakterien durch den Urin wieder ausgeschieden. Es kann jedoch passieren, dass die Erreger in der Blasenwand andocken und zu einer Entzündung führen. Wenn die Bakterien aufsteigen, können sie auch die Schleimhaut des Nierenbeckens befallen. Zu den typischen Anzeichen einer Nierenbeckenentzündung gehören:
- Fieber
- Unwohlsein und ein allgemeines Krankheitsgefühl
- Erbrechen (Dieses Anzeichen der Nierenbeckenentzündung ist typisch bei kleineren Kindern.)
- Schmerzen beim Wasserlassen
- Flankenschmerzen
Die Ärztin betont, dass viele der Symptome bei Babys und Kleinkindern entweder nicht auftreten oder sie diese nicht kommunizieren können. «Fieber ohne offensichtliche Ursache ist deshalb oft das einzige Indiz, dass eine Nierenbeckenentzündung vorliegt und sollte deshalb immer bei der Kinderärztin oder beim Kinderarzt abgeklärt werden», rät Dr. Tschumi.
Fehlbildungen als Risikofaktoren
Fehlbildungen der Harnwege oder der Nieren können eine Nierenbeckenentzündung begünstigen. Die angeborenen Fehlbildungen treten bei Jungen häufiger auf als bei Mädchen, weshalb sie unter anderem in den ersten Lebensjahren einem grösseren Risiko ausgesetzt sind, eine Harnwegsentzündung zu entwickeln.
«20 bis 30 Prozent der Kinder, die eine Harnwegsinfektion haben, weisen einen sogenannten vesiko-ureteralen Reflux auf. Das bedeutet, dass der Urin aus der Blase teilweise nicht abfliessen kann, sondern von der Blase zurück in die Nieren aufsteigt. Der Grund ist eine undichte Verbindung zwischen Harnleiter und Blase. In diesem Restharn können sich Bakterien ansammeln», so die Kindernephrologin. Zu der Ansammlung von Restharn kann es ebenso kommen, wenn das Kind noch nicht so geübt ist in der Steuerung seiner Blase und sie nicht vollständig entleert. Glücklicherweise kann der vesiko-ureterale Reflux, also die undichte Verbindung, in den ersten Lebensjahren verwachsen.
Zudem können starke Verstopfungen von hinten auf die Blasenausgang drücken und so den Urinfluss verhindern.
Anzeichen einer Nierenbeckenentzündung ernst nehmen
«In seltenen Fällen kann eine wiederholte Nierenbeckenentzündung auf das Nierengewebe übergehen und dort Narben verursachen, welche die Nierenfunktion stören. Man geht jedoch davon aus, dass eine Infektion bei Kindern nur in seltenen Fällen zur Verminderung oder gar zum Verlust der Nierenfunktion führt», beruhigt die Ärztin.
Lediglich bei etwa vier bis neun Prozent der Kinder mit einer Nierenbeckenentzündung sind die Bakterien aus dem Urin auch im Blut nachweisbar. Eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Sepsis) mit Organversagen ist bei einer Harnwegsinfektion also extrem selten. Nichtsdestotrotz kann eine Harnweginfektion die Kinder so krank machen, dass sie manchmal ins Spital aufgenommen werden müssen. Rund fünf bis fünfzehn Prozent der Notfälle auf der Kindernotfallstation machen Harnwegsinfekte aus. «Aus diesem Grund ist es ratsam, mit dem Kind bereits bei den ersten Anzeichen einer Nierenbeckenentzündung eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen», betont Dr. Tschumi. Bei Neugeborenen und Säuglingen sollte bei unklarem Fieber in jedem Fall nach einer Harnwegsinfektion gesucht werden.
Diagnose und Behandlung
Eine Urinuntersuchung gibt Aufschluss darüber, ob sich Bakterien in den Harnwegen befinden. «Bei Kindern unter drei Monaten kann diese allerdings unauffällig sein, da sie ihre Blase häufig leeren und dadurch die Konzentration von Entzündungszellen und Bakterien im Urin zu gering sein kann. Auch bei einem älteren Kind kann die Urinuntersuchung nicht immer ganz eindeutig ausfallen. Darum wird bei Kindern immer eine Urinkultur angelegt, um die Bakterienart zu bestimmen und die passende Therapie einzuleiten. Nach 72 Stunden liegt das Ergebnis vor», erklärt die Kindernephrologin. Während dieser Wartezeit wird allerdings bereits mit der Antibiotikatherapie begonnen, um die Ausbreitung der Bakterien zu verhindern.
Bei Anomalien der Harnwege, die zu häufigen Harnwegsinfektionen führen, ist in seltenen Fällen eine Operation notwendig. Nämlich dann, wenn sich die Anomalie nicht von selbst verwächst», so Dr. Tschumi.
Tipps zur Vorbeugung
Eltern empfiehlt Dr. Tschumi folgende Massnahmen, um einer Harnwegsinfektion beim Kind vorzubeugen:
- Ausreichend trinken: Die regelmässige Entleerung der Blase spült die Bakterien aus dem Körper.
- Füsse hochstellen: Reichen die Füsse des Kindes beim Toilettengang nicht auf den Boden, sollte ein kleiner Schemel zu Hilfe genommen werden. Durch Aufsetzen der Füsse kann das Kind den Beckenboden besser entspannen und die Blasenentleerung geht einfacher.
- Verstopfung behandeln: Damit der pralle Darm nicht von hinten auf die Blase drückt und die Entleerung erschwert, sollten Verstopfungen beim Kind umgehend behandelt werden.
- Richtig wischen: Beim Säubern des Windelbereichs immer von vorne nach hinten reinigen. So gelangen keine Keime aus dem Darm in die Harnröhre. Dies gilt auch für Mädchen, die nach dem Stuhlgang ihren Po von vorne nach hinten säubern sollten.