Altersschwerhörigkeit: erste Anzeichen und Behandlung

Wenn das Hören immer schwerer fällt

Altersschwerhörigkeit: Zwei ältere Männer spielen konzentriert Schach im Freien an einem Holztisch, umgeben von anderen Senioren, die ebenfalls die Gesellschaft genießen.

Spoiler

  • 74 Prozent der Menschen über 70 Jahren sind von einer Form der Hörminderung betroffen.
  • Die ersten Anzeichen einer Altersschwerhörigkeit werden häufig nicht erkannt, da der Hörverlust zu Beginn noch kompensiert werden kann.
  • Im Schnitt warten Menschen in der Schweiz sieben Jahre, bis sie ihre Hörminderung behandeln lassen.
  • Ein Hörgerät ist die beste Therapiewahl bei Schwerhörigkeit. Daneben können technische Helfer oder Lippenlesen den Alltag erleichtern.

Weltweit gehört Altersschwerhörigkeit zu den Hauptursachen für gesundheitliche Einschränkungen. «Eine geringgradige Schwerhörigkeit betrifft fast jede vierte Person zwischen 50 und 60 Jahren. Ab 71 Jahren sind es bereits 74 Prozent», erklärt Heike Zimmermann, Co-Geschäftsleiterin der Non-Profit-Organisation Pro Audito.

Erste Symptome von Altersschwerhörigkeit

«Bei einer beginnenden Altersschwerhörigkeit hat man typischerweise Mühe, Gesprächen in Umgebungen mit hohem Geräuschpegel, beispielsweise in einem Restaurant, zu folgen. Man muss häufiger nachfragen und zu Hause den Fernseher oder das Radio lauter stellen. Häufig weisen auch die Angehörigen auf eine Hörverschlechterung hin», sagt Heike Zimmermann. Da die altersbedingte Hörminderung meist langsam voranschreitet und zumindest am Anfang noch gut kompensiert werden kann, wird die Beeinträchtigung erst spät entdeckt, von den betroffenen Personen unterschätzt oder sogar verneint. Für eine erste Einschätzung der Hörfähigkeiten kann man auf Pro Audito einen schnellen, anonymen und einfachen Hörtest durchführen.

Ursachen für die Hörminderung im Alter

Die Ursachen für Altersschwerhörigkeit sind komplex. Man geht von einem Zusammenspiel zwischen verschiedenen Alterungsprozessen, genetischen Faktoren, Infektionen, Umwelteinflüssen wie beispielsweise Lärm oder toxische Substanzen, und dem allgemeinen Gesundheitszustand aus.

Studien konnten eine Assoziation mit mehreren Krankheiten, darunter Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Übergewicht und Tabakkonsum ausmachen. Altersbedingte Hörbeeinträchtigungen können fälschlicherweise als Anzeichen einer Demenz interpretiert werden. Gleichzeitig wird eine Wechselwirkung zwischen Hörverlust und Demenz vermutet. Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder Hörverlust auch zu einer Demenzerkrankung führen muss.

Abklärung in der HNO-Praxis

«Wenn man bei unserem Online-Hörtest mit einem mittleren oder schlechten Ergebnis abschneidet, empfehlen wir, eine Hals-Nasen-Ohren-Praxis aufzusuchen, um einen fundierten Hörtest zu machen», so Heike Zimmermann. Ein Besuch der Hausarzt- oder HNO-Praxis ist ebenso angeraten, wenn man selbst bemerkt, dass man nicht mehr so gut hört, wenn man sich aus der Gesellschaft zurückzieht oder wenn Angehörige auf die Hörminderung aufmerksam machen.

In der HNO-Praxis wird der Gehörgang auf Entzündungen oder Verstopfungen (Propfen) untersucht. Ebenso wird ein sogenanntes Audiogramm mit einem Sprach- und Zahlentest durchgeführt.

Altersschwerhörigkeit und ihre Auswirkungen

Die Non-Profit-Organisation Pro Audito rät dazu, eine Altersschwerhörigkeit möglichst frühzeitig abzuklären und zu behandeln. «Aus Studien wissen wir, dass die Menschen in der Schweiz im Schnitt sieben Jahre warten, bis sie ihren Hörverlust behandeln lassen. Das ist zu lange, denn wenn die Teile des Gehirns, die für das Hören zuständig sind, immer weniger stimuliert werden, bauen sie ab, ähnlich wie bei einem untrainierten Muskel», erklärt die Expertin. Doch Hören befähigt uns, am täglichen Leben teilzuhaben. Zu den Auswirkungen einer unbehandelten Schwerhörigkeit zählen deshalb auch Frustration, Depressionen und Gereiztheit. Hinzu kommen Gedächtnisstörungen, Lernschwierigkeiten und ein erhöhtes Demenzrisiko. Hörbeeinträchtigte Menschen sind im Strassenverkehr gefährdeter und hören Alarme, wie beispielsweise einen Feueralarm, nicht.

Darüber hinaus leiden die zwischenmenschlichen Beziehungen. «Eine Hörminderung führt zu Missverständnissen, Einsamkeit und sozialer Isolation. Die verminderte Arbeitsfähigkeit kann zudem einen Einfluss auf das Einkommen haben», macht Heike Zimmermann deutlich.

Hörminderung im Alter kompensieren

Therapiewahl Nummer eins ist nach wie vor ein Hörgerät. Die Auswahl ist riesig und der Weg zum passenden Hörgerät erfordert manchmal etwas Geduld. Es empfiehlt sich, verschiedene Hörgerätarten zu testen, bis man sich für eines entscheidet.

In der Schweiz bezahlt die Invalidenversicherung (IV) einen Beitrag an den Erwerb und Unterhalt eines Hörgeräts. «Dies gilt für Personen unter 65 Jahren ab einem Hörverlust von 20 Prozent sowie bei über 65-Jährigen ab einem Verlust von 35 Prozent. Unserer Ansicht nach ist die Anspruchsschwelle bei über 65-Jährigen viel zu hoch», erklärt die Co-Geschäftsführerin von Pro Audito. Um betroffenen Personen die Anschaffung eines Hörgeräts zu erleichtern und über die Finanzierungsmöglichkeiten aufzuklären, bietet der Verein eine Broschüre und ein regelmässiges Webinar an, in denen der Prozess ausführlich besprochen wird.

Zusätzlich zum Hörgerät gibt es verschiedene Techniken und Helfer, die im Alltag mit Altersschwerhörigkeit unterstützen. Dazu gehört etwa das Erlernen von Lippenlesen. Durch diese Praxis kann das Verstehen nachweislich verbessert werden. Auf www.lippenlesen.ch können Interessierte auf spielerische Weise das Lippenlesen entdecken. Wer lieber einen Kurs besuchen möchte, findet hier eine Übersicht der Angebote von den regionalen Vereinen.

Daneben ist das Smartphone ein praktischer Helfer im Umgang mit Schwerhörigkeit.  Nützliche Apps, Tricks und Funktionen lernen Betroffene in einem Webinar von Pro Audito kennen.

Betroffene von Altersschwerhörigkeit unterstützen

Angehörige können ein Familienmitglied mit Schwerhörigkeit auf verschiedene Arten unterstützen. Sie sollten als erstes auf die Wohneinrichtung achten: Es ist von Vorteil, wenn die Person mit Hörproblemen die Lichtquelle immer im Rücken hat, sodass sie das Gesicht der Sprecherin oder des Sprechers gut erkennen kann.

Heike Zimmermann rät ausserdem dazu, sich an feste Kommunikationsregeln zu halten: «Nach Möglichkeit sollte nur eine Gesprächspartnerin oder -partner auf einmal sprechen. Auf Nachfragen der beeinträchtigen Person sollte die Familie nicht genervt, sondern möglichst geduldig reagieren.» Man sollte versuchen, die betroffene Person weiterhin in Unterhaltungen zu integrieren – wenn nötig mit technischen Hilfsmitteln. Nichts ist schlimmer, als eine Person mit Schwerhörigkeit aussen vor zu lassen, da sie oder er ‹ja sowieso nichts versteht.›

Altersschwerhörigkeit vermeiden

Bis zu einem gewissen Grad tritt Hörverlust unverschuldet auf. Mit diesen präventiven Massnahmen kann man sein Gehör allerdings schützen:

  • Gehörschutz tragen bei lauten Tätigkeiten
  • Lang andauernden und grossen Lärm meiden
  • Regelmässige Hörpausen einlegen
  • Erkrankungen des Ohrs abklären und behandeln lassen

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